: Ein Hauch von DDR in Riensberg
■ Kultursenator läßt das Focke-Museum verrotten / Besser reden als zahlen / Ohne Verein geht nichts
Das Fundament des Bremer Landesmuseums, des Focke-Museums, sackt an einer Stelle ab, die großen Fensterscheiben des Flachbaus zeigen krakenartig sich ausbreitende Sprünge, weil die Rähmen materialmüde sind, durch das Dach regnet es an vier Stellen durch, in den Magazinkeller sickert das Grundwasser, zwei Sicherungskästen der hochsensiblen Elektroanlage schreien seit einem Jahr nach Reparatur, in einen hat es schon geknallt, die Insassen rufen seit Jahr und Tag nach Hilfe.
Die kann nur vom Staat kommen, denn dem gehört das Haus, und dem obliegt seine Instandhaltung. Doch der rührt sich nicht. Selbst darf man nicht einmal den Elektriker beauftragen. Das darf nur das Hochbauamt. Und das eben tut es nicht.
Sieht man hinter all den edlen Gläsern, rätlichen Silberzeugen, hölzernen Heiligen und edel-zopfigen Exponat -Ambiente vorbei, durch die Scheiben des Flachbaus unter den hohen, alten Bäumen Riensbergs hindurch in Richtung Bremer Rathaus, dann wähnt man sich plötzlich mitten in der DDR. Das Haus verfällt, seit Jahren ruft seine Direktorin Rosemarie Pohl-Weber nach Abhilfe und einem Erweiterungsbau, außerdem nach einem Standbein in der Innenstadt, - am liebsten in der Post der Langen Straße, vielleicht auch einem „Schaufenster“ im Roselius Haus - und nichts passiert.
Dagegen hat sich jetzt, wie in der DDR, ein bürgerlicher Widerstand gebildet, wobei bürgerlich hier noch eher im Sinne von altbremischem Bourgeois zu ver
stehen ist. Ihr Sprecher heißt Dr. Karl Mahlert und ist Vorsitzender des „Vereins von Freunden des Focke-Museums e.V“. Im Tabakkollegium des Focke- oder Landesmuseums machte vor zwei Tagen dieser energisch-ehrwürdige kleine Greis die Zustände „püblick“, ja wahrhaftig, da fuhr ihm doch das Französische hinein, die er nun nicht länger dulden will: „Wir reden und wir schlagen vor, und bei der ganzen Behörde passiert nichts.“
Der Verein redet nicht nur, er zahlt auch, z.B. für die Bildungsarbeit und begleitende wissenschaftlichen Veröffentlichungen. Karl Mahlerts nachdrücklich den drei geneigten PressevertreterInnen eingetrichtertes Fazit: „Ohne den Verein geht nichts mehr.“
Auch die Verhandlungen mit der Bildungsbehörde über die Sa
nierung und Erweiterung des Gebäudes und die Besetzung der fehlenden 7 bis 9 Aufsichts- und die gesperrte Wissenschaftler/in- und die Fotografenstelle gehen nicht vom Fleck. Das vor einem Jahr von Senatsdirektor Hoffmann bis zum Sommer 1989 in Aussicht gestellte Konzept kam bis jetzt nicht über. Mit dem Hochbauamt - „unglaublich langstielig“ kann man sich nicht über die erforderlichen Kosten einigen, das Hochbauamt schätzt 4.5 Mio., Museumsdirektorin Rosemarie Pohl-Weber hält das Doppelte für erforderlich. Ergebnis bis jetzt: Eine Notiz über ein Gespräch mit Senatsrat Opper vom Dezember 1989.
Aber, auch hier ist es wie in der DDR. Der Staat ist überall, auch dort, wo man gegen ihn aufbegehrt. Denn die wertvollen Anregungen für die Intensivierung des Gesprächs mit der Bildungsbehörde kommen von Staatsrat Andreas Fuchs. Denn, so Mahlert, der Leiter der Senatskanzlei, konnte „als Bundesgenosse für den Vereinsvorstand gewonnen werden“.
Uta Stolle
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