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Grüne Absolution des Stalinismus?

Zum Vorschlag einer Vereinigung von PDS und Grünen  ■ G A S T K O M M E N T A R

Alles wird mit den DDR-Wahlen am nächsten Sonntag neu aufgemischt - auch die Parteilandschaft hüben und drüben. Neue Konstellationen entstehen im Schweinsgalopp der deutschen Einigung. Und schon spielen einige mit gezinkten Karten; Die „Linken in den Grünen“ wollen - Jürgen Reents sprach es erstmals öffentlich aus - eine Vereinigung von PDS und Grünen. Wobei die PDS die Kopfzahl und die Kohle und die Grünen den Heiligenschein in dieses Bündnis einzubringen hätten. Ein Salto mortale rückwärts vom grünen Sprungbrett in die sozialistische Mottenkiste.

Reents nennt diese Akrobatik einen Angriff auf die Realos. Das ist Täuschung, denn in Wirklichkeit gilt dieser Angriff dem grünen Projekt als ganzem, einem Politikentwurf also, der sich zugunsten global-ökologischer Problemlösungen von sterilen linken und rechten Dogmen befreien mußte.

Alle bisherigen Strömungskonflikte der Grünen waren im Vergleich zu dem geplanten Manöver bloßes Kindergezänk. Wenn es gelingt, dann dürften alle Ökologen und Umweltinitiativen, dann dürften alle Menschenrechtsgruppen und alle unabhängigen Feministinnen dem Grünen Projekt für immer den Rücken zukehren. Die PDS ist - trotz programmatischer Verjüngungskuren - das Symbol der stalinistischen Nachkriegszeit.

Ich will keine grünen Gespensterstänze auf den Gräbern kommunistischer Träume. Ehrlicher wäre es, wenn die „Linken in den Grünen“ in eine - demnächst gesamtdeutsche - PDS eintreten würden. So könnten die Differenzen fruchtbar gemacht werden: Durch offene Konkurrenz zwischen einem ökologischen und einem sozialistischen Parteienprojekt.

Keine Frage: Die Parteienlandschaft wird sich durch den deutsch-deutschen Einigungsprozeß in den nächsten Monaten dramatisch verändern. Auf der Rechten geht es etwa um die Frage, ob sich die CSU via DSU zur überbayerischen Partei aufbauen kann oder ob es der Kohl-CDU gelingt, zum Kristallisationskern des gesamtdeutschen konservativen Lagers zu werden. Für die SPD geht es darum, ob sie - trotz gesamtdeutscher Rechtsverschiebung - mehrheitsfähig wird, ohne ihre sozial-ökologischen Modernisierungsversuche abbrechen zu müssen.

Den Grünen jedenfalls bläst dabei der Wind heftig ins Gesicht: Industrialistische Wachstumspolitik statt ökologischer Vorsorge, nationalistische Borniertheit statt europäischer Perspektive, deutsches Spießertum statt multikultureller Entwicklung. An diesen Widersprüchen muß sich die Grüne Partei bewähren. Wer sonst könnte diese Herausforderung aufnehmen?

Hier liegt der historische Sinn des Grünen Projekts. Als Tarnkappe für linke Dogmen würde es deren Schicksal teilen auf dem Müllhaufen der Geschichte.

Dietrich Wetzel

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