: Neu im Kino: „Eine Komödie im Mai“ von L. Malle
■ Fragile Idylle, französisch
Unter einem Baum steht ein alter Mann, dem beutelartig unzählige Bienen am Hals hängen. Schnitt. Eine alte Frau weint. Sie schneidet Zwiebeln. Sie faßt sich ans Herz, wankt eine Steintreppe hinauf und tut ihren letzten Schnaufer. Eine schwarze Katze leckt ihr daraufhin das Gesicht ab. So beginnt eine Komödie.
Louis Malle (Fahrstuhl zum Schafott, Zazie, Lacombe Lucien) hat mit Ko-Autor J.-C. Carriere für Eine Komödie im Mai dieses Intro gewählt. Die Sonne scheint, die Vögel zwitschern und ein imposantes Herrenhaus, das der nunmehr toten Dame gehörte, vermitteln den Eindruck von Ruhe und Zufriedenheit. Weit gefehlt, schließlich handelt es sich, siehe Titel, um ein Lustspiel. Der Tod der alten Frau trug sich im Mai 1968 zu, als in Frankreich für einige Tage der Sturm der Revolution loszubrechen schien.
Das kümmert den 60-jährigen Sohn Milou (Michel Piccoli) allerdings wenig. Er lebte mit Mutter und der jungen Hausangestellten Adele ein ruhiges, beschauliches Leben, und so soll es auch bleiben. Sollen ihm doch die herbeigerufenen Verwandten das Haus leerräumen. Er braucht nur eine Matratze und sein Fahrrad und ab und an die amouröse Zuneigung von Adele.
Aber auch daraus wird nichts. Louis Malle läßt die gesamte Familie anrauschen, peu a peu fallen sie in die Idylle des französischen Südwestens ein: Milous reaktionäre, geldgeile Tochter Camille (Miou Miou) mit ihren drei Kindern, Bruder Georges (M. Duchaussoy) mit seiner englischen Hippie -Geliebten und seine Nichte Claire (D. Blanc), die zu ihrer sexuellen Erbauung ihre Freundin mitbringt. Insgesamt zwölf Hauptrollen mutet Regiseur Malle uns zu, und es ist seiner Routine und Detailbesessenheit zu verdanken, daß er sich dabei nicht verhaspelt.
Während in Rest-Frankreich der Generalsreik und die Barrikadenbauer für Unruhe sorgen, sind die Trauernden mit dem Verteilen des Erbes beschäftigt und erfahren von der Politik nur durch's Radio. Die (Groß-) Mama ruht derweil auf dem Totenbett und muß Despektierlichkeiten über sich ergehen lassen. Der Pfarrer hört bei der letzten Ölung lieber den Nachrichten zu, die Ur-Enkelin versucht, ihr gewaltsam den geöffneten Mund zu schließen, und die treue Katze benutzt sie als Schlafstatt.
Die Familie taut erst auf, als auch die Totengräber aus revolutionären Gründen streiken, Milous Sohn Pierre-Alain (P. Danner) den Geist der Barrikaden verstreut und der örtliche Wein sowie diverse Joints der Engländerin für die richtige 68er Stimmung sorgen. Das alles kommt daher wie Woody Allen auf französisch, und der Spaß am Filmen vermittelt sich gleich mit. Jürgen Franck
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