Weltmeister im Loben und Streiten

■ Die Koalition aus SPD und AL wird ein Jahr alt Keine Überraschungen in der Bilanz von Momper

Ein Geburtstag im Schatten der ersten Wahlen in der DDR: Morgen vor einem Jahr übernahm der rot-grüne Senat die Regierungsverantwortung. Damit dieser Geburtstag zum Medienereignis wird, bilanzierte der Regierende Bürgermeister Momper gestern die Arbeit der Koalition - die weder zur „Jahrhundertchance“ noch zur „Koalition der 100 Tage“ wurde. Überraschungen hatte Momper dabei nicht zu vermelden, die hatte aber wohl auch kaum jemand erwartet. Unter den denkbar schwierigsten Bedingungen habe der Senat erfolgreiche Politik betrieben, so Momper, seine größte Leistung bestehe darin, innerhalb des bestehenden Haushaltes eine gewaltige Umverteilung vorgenommen zu haben.

Besonders zufrieden zeigte sich Momper mit den Bereichen Verkehrspolitik, Weichenstellung für den ökologischen Stadtumbau, Wohnungsbau und der Bewältigung der Maueröffnung. Die Koalition sei stabiler als erwartet und gekennzeichnet von einer neuen Streitkultur. In Zukunft müsse noch mehr Energie auf die Lösung sozialer Konflikte verwandt werden. Auch in Zukunft werde Berlin in der deutsch -deutschen Entwicklung in der ersten Reihe sitzen. Momper vertrat gestern auch die Ansicht, für die streitbare Politik des Senats gebe es in der Bevölkerung Zustimmung. In der AL dagegen war beklagt worden, daß die rechnerische Mehrheit des Wahlergebnisses nicht in eine gesellschaftliche verwandelt worden sei. Umweltsenatorin Schreyer wich gestern diesem Problem auch auf Nachfragen aus und lobte ebenfalls die Arbeit des Senats und das Klima in der Koalition.

Im Anschluß an die Regierungsvertreter meldete sich gestern auch Oppositionsführer Eberhard Diepgen zu Wort, dessen Abrechnung mit dem Senat allerdings seiner eigenen unglücklichen Rolle im Skandal um den Vorsitzenden des Demokratischen Aufbruchs, Schnur, fast zum Opfer fiel. Diepgen hatte gestern auf Wunsch des Bundeskanzlers Schnur besucht und brachte die offizielle Nachricht vom Rücktritt des Anwalts mit. Diepgen warf dem Senat vor, in wesentlichen Punkten zerstritten und dadurch handlungsunfähig zu sein. Es gebe keine gesellschaftliche Mehrheit für Rot-Grün, und verdeckt sei dieser Umstand nur durch die rasche Entwicklung seit dem 9.November.

kd

(Siehe Bericht und Kommentar)