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Die Neinsagerin im europäischen Abseits

„Margret Thatcher ist überall isoliert - in der Nato, in der EG und im Commonwealth. Diese Isolierung hat katastrophale Auswirkungen auf Großbritanniens Stellung in der Welt, aber auch auf die Entwicklung Westeuropas insgesamt.“ Die scharfe Kritik stammt von Roy Hattersley, Vizechef der britischen Labour-Party. Bis vor kurzem gehörte auch er zum Lager der EG-Gegner. Doch die Folgen der Europafeindlichkeit seiner Premierministerin haben ihn und seine Partei bekehrt.

Auf ihren Rücktritt wartet mittlerweile nicht nur die Wählermehrheit in Großbritannien. Auch bei Bankern und Konzernchefs wächst die Ungeduld. Denn für die Architekten des EG-Binnenmarkts ist die Eiserne Lady inzwischen zum Störfaktor geworden.

Wie tief sich die britische Regierung ins europäische Abseits gespielt hat, zeigte sich erst letzte Woche, als ihr Umweltminister Patten bei der Nordseeschutzkonferenz in Den Haag seine KollegInnen vor den Kopf stieß. Er wollte partout nicht einsehen, daß seine Nordseeschutzpolitik eine reine Augenwischerei ist, weil die britischen Flüsse zwar zu einem großen Teil geklärt, der Klärschlamm aber dann in der Nordsee verklappt wird.

Nur wenige Tage zuvor hatte die Premierministerin die Verbündeten in EG und Commonwealth mit ihrer Forderung brüskiert, die Sanktionen gegen Südafrika aufzuheben: Mandela sei doch freigelassen worden. Vergeblich hielt man ihr entgegen, daß die Apartheidpolitik dennoch weitergeht sie hob die Sanktionen gegen Pretoria auf eigene Faust auf.

Diesmal trug ihr das zwar ein Lob von US-Präsident Bush ein. Doch sonst wendet der sich - anders als Vorgänger Reagan - lieber an Helmut Kohl oder Kommissionspräsident Jacques Delors.

Das hat dazu beigetragen, die seit langem bekannte Intimfeindschaft zwischen Thatcher und Delors zu vertiefen. Dessen Pläne einer europäischen Regierung in Brüssel bezeichnete sie als „total überzogen“. Der gemeinsame Binnenmarkt mache weder eine politische Union noch die Übergabe nationaler Souveränitätsrechte an die Bürokratie in Brüssel nötig.

Ende Februar warnte ihr Außenminister Hurd sogar, daß die machthungrigen Eurokraten den Plan für ein geeintes Europa in Gefahr brächten, weil sie die EG von Osteuropa abschotteten.

Die Kommission reagiert gelassen: Thatcher wird einfach ignoriert oder ausgetrickst. Statt des Thatcher-Mannes John Mogg wurde beispielsweise beim letzten Postengerangel der Italiener Riccardo Perrissich zum Generaldirektor unter Binnenmarktkommissar Martin Bangemann gemacht. Delors kann schließlich im Zwölferrat auf eine bequeme Mehrheit von 11 Stimmen zählen. Problematisch ist allerdings, daß wichtige Entscheidungen einstimmig getroffen werden müssen, faktisch ein Vetorecht für die Briten.

Immerhin hatte Delors der Neinsagerin aus der Downing Street beim Madrider EG-Gipfel im Juni letzten Jahres ein prinzipielles Ja zur Europäischen Währungsunion abringen können. Doch als sie dann ihren EG-freundlichen Schatzkanzler Nigel Lawson feuerte, war es mit Delors‘ Optimismus vorbei. Auch sein Ziel, die EG-Integration im Gleichschritt mit der deutsch-deutschen Währungsunion zu beschleunigen, steht in den Sternen, seitdem die Eiserne Lady in dieser Frage mit Kohl eine Notgemeinschaft bildet. Ihre Position: „Eine gezielte Zusammenarbeit zwischen unabhängigen Staaten ist der beste Weg, um eine erfolgreiche europäische Gemeinschaft zu formen.“ Damit will sie vor allem verhindern, noch stärker in den Sog der mächtigen Bundesbank zu geraten. Auch die geplante Abschaffung der Grenzkontrollen will sie nicht mittragen und malt das Gespenst von Drogen, Terrorismus und Einwanderungsströmen an die Wand.

Aber auch einige Freunde hat sich die Eiserne Lady in letzter Zeit gemacht - vor allem bei den Unternehmern. Mit ihrem Widerstand gegen die Sozialcharta der EG will sie um jeden Preis verhindern, daß der unternehmerischen Freiheit erneut Grenzen gesetzt werden, nachdem sie gerade mit Erfolg die britischen Gewerkschaften niedergekämpft hat. Allerdings waren nicht nur die europäische Unternehmer, sondern auch die meisten anderen EG-Regierungen nicht sonderlich daran interessiert, Mindestlöhne, Mitbestimmung oder Urlaubsregelungen europaweit festzulegen.

Eine Zweckfreundschaft schließlich verbindet Thatcher mit der französischen Regierung, trotz aller Gegensätze. Beide Staaten sind besorgt um die Zukunft ihrer Nuklearstreitmächte und um ihre strategischen Positionen in einem von einig Deutschland dominierten Europa. Objekt der neu ausgebrochenen geheimdiplomatischen Begierde in London und Paris ist ein gemeinsames Atomraketenprojekt - als Basis für eine europäische Nato, die sowohl Deutschland kontrollieren als auch vor Überraschungen aus der sich auflösenden Supermacht Sowjetunion schützen soll.

Michael Bullard, Brüssel

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