: Ganz normal schwul und lesbisch
■ Schwule und Lesben bekommen ein Haus / „Am besten mit 12 Planstellen“ und mit vielen Büros
Mitte Januar haben 23 engagierte Schwule und Lesben in Berlin/DDR in einem offenen Brief an den Oberbürgermeister ein ehemaliges Stasi-Haus gefordert. Geplant ist ein Zentrum mit Büros der Schwulen- und Lesbenverbände, Cafe, Galerie, Kneipe, Bibliothek, Buchladen, Archiv, Beratungsstelle, Krisenanlaufstelle mit Wohnmöglichkeiten, Bühne, Kino und Pension. Am 1.3. wurde der Antrag vom kommunalen Runden Tisch befürwortet.
taz: Seit wann gibt es die Idee eines Schwulen- und Lesbenhauses?
Stefan: (der Architekt) Das erste Treffen war im Oktober. Durch die Novemberereignisse kamen wir in Verzug, weil alle erstmal im Westen schnuppern mußten. Wir hätten ein Haus in der Kastanienallee haben können, aber das wäre mit baulichen Aufwendungen verbunden gewesen, die wir im Moment nicht gepackt hätten. Es war schwierig, Leute für 'ne neue Sache zu begeistern, wo man erst arbeiten muß, um Resultate zu sehen...; also jetzt, wo man gar nicht weiß, ob man im nächsten halben Jahr noch hier ist.
Bert: (einer der Initiatoren) Das hat aber auch etwas mit dem Verhältnis zwischen schwulen Aktivisten und den vielen Konsumschwulen zu tun. Viele hätten gerne ein Haus, aber sie haben keine Lust, jetzt ein Haus aufzubauen, wo es doch im Westen alles schon gibt.
Der Name Schwulen- und Lesbenhaus bezeichnet ja erstmal nur einen räumlichen und organisatorischen Zusammenhang mit Lesben. Hier am Tisch ist keine Lesbe.
Bert: Die Lesbe sitzt am Runden Tisch. Wir wollen was machen, was im Westen noch nicht da ist in der Infrastruktur der Schwulen- und Lesbenkultur. Es muß Möglichkeiten geben, wo die Schwulen oder die Lesben unter sich sein können, durch räumliche Nähe Kommunikationsmöglichkeiten da sind.
Es soll im Haus eine Krisenanlaufstelle geben mit Wohnmöglichkeiten.
Eike: (wird das Beratungszentrum leiten) Das betrifft vor allem die Coming-Outler, aber auch Partnerschaftsprobleme. Wenn es in einer Beziehung gekracht hat und einer nicht weiß, wohin.
Es gibt in der Schwulenbewegung im Westen diese drei Richtungen. Das ist die politische Schwulenbewegung, das ist die caritative Arbeit und das sind die kommerziellen Projekte. Inwiefern ist denn die politische Arbeit im Haus verankert?
Stefan: Wir werden Öffentlichkeitsarbeit machen. Und in den Räumen können sich Leute treffen, die politisch arbeiten wollen.
Horst: Und dann gibt es die Clubs und Interessengemeinschaften, die dort mit Büros präsent sind.
Bert: Was man jetzt verbindlich sagen kann ist, daß das Haus ein Ort werden kann, von dem aus Schwule als Subjekte in die Politik hineinwirken. Wo sie zu Hause sind und wohin sie einladen können, um zu diskutieren. Dafür wäre natürlich auch eine Entwicklung der Schwulen und Lesben nötig, über ihre eigenen politischen Interessen nachzudenken.
Ursprünglich sollte auch Aids-Hilfe gemacht werden...
Bert: Die Aids-Hilfe kriegt eigene Räume. Die wollen auch nicht ins Schwulen- und Lesbenhaus, weil sie nicht nur für Schwule und Lesben Aids-Hilfe machen wollen.
Stefan: Ich denke, es hängt von den Gegebenheiten ab, was wir in dem Haus machen können. Das Wichtigste ist, das es zu einem Zentrum wird, wo man Leute weiterschicken kann. Da müssen wir nicht unbedingt die Turnhalle und die Sauna im Haus haben, aber wir wissen, wo eine ist. Auch beim Beratungskonzept gibt es besondere Wünsche, ein Extra -Eingang für Beratung und Notunterkünfte. Es kann auch sein, das man Wohnungen anmietet und vermittelt. Ich denke, daß ähnliche Probleme wie im Westen auch auf uns zukommen, das Quadratmeterpreise, gerade im Zentrum hochgehen. Ich hatte an 500 bis 1.000 qm gedacht, was unter Umständen sehr großzügig sein kann.
Du hast von einem Verein gesprochen als Träger, Vereinsstruktur ist meistens sehr hierarchisch...
Stefan: Ich plädiere für einen basisdemokratisch orientierten Verein, der aber auch Leute einstellt - einen Geschäftsführer und Planstellen. Wir müssen uns eventuell auch mal selbst über Wasser halten und Möglichkeiten offen halten wie Mitgliedsbeiträge, Spenden und Zuschüsse.
Inwiefern sind Teile des Projektes kommerziell orientiert? Und: Wie aussichtsreich sind die Magistratsgelder?
Bert: Wir haben vor, das so ähnlich wie die Frauenhäuser finanzieren zu lassen über die Ehe- und Sexualberatungsstellen. Und ich fände es nötig, nicht nach kommerziellen Kriterien Entscheidungen treffen zu müssen, sondern nach Notwendigkeiten, die von emanzipatorischen Gesichtspunkten bestimmt werden.
Wieviele Planstellen soll es geben?
Stefan: Am besten zwölf.
Eike: Das Beratungsprojekt soll erstmal ehrenamtlich laufen und dann soll ein Rund-um-die-Uhr-Dienst irgendwann möglich sein mit acht hauptamtlichen Stellen.
Wann wird das Schwulen- und Lesbenhaus eröffnet?
Bert: Vor Jahresende.
KONTAKT: Dirk Komor, Kastanienallee 87, 1058 Berlin/DDR
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