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Brasiliens Präsident Collor: Neuer „dramatischer Plan“

■ Durch Freigabe des Wechselkurses und Streichung von 40.000 öffentlichen Stellen soll die 3.000 %ige Inflation gestoppt werden

Brasilia (dpa/taz) - Einen Tag nach seinem Amtsantritt hat Brasiliens neuer Präsident Fernando Collor am Freitag drastische Wirtschaftsmaßnahmen verkündet. Damit soll vor allem der Hyperinflation von fast 3.000 Prozent zu Leibe gerückt werden. Dabei handelt es sich einerseits um dirigistische Schritte, wie etwa einen einmonatigen Lohn und Preisstopp mit anschließenden Lohn- und Preiskontrollen, sowie um Steuererhöhungen.

Anderes dagegen soll stärker den Marktkräften überlassen werden: Durch die Freigabe des Wechselkurses, der dadurch vermutlich absackt, dürfte die Inflationsrate vorübergehend einen zusätzlichen Schub bekommen: Die Importe werden teurer. Logischerweise wurden daher auch schon mal die Treibstoffpreise um 58 Prozent erhöht.

Die Exportwirtschaft kann aufgrund der Abwertung allerdings konkurrenzfähiger für den Weltmarkt produzieren. Die Cruzado -Währung soll schließlich durch den Cruzeiro ersetzt werden und die Suspendierung aller staatlichen Subventionen, der Verkauf von Staatsimmobilien, die Erhöhung öffentlicher Tarife und die massenhafte Streichung öffentlicher Stellen sollen helfen, den Staatshaushalt auszugleichen.

Ganze bürokatische Organe will Collor gleich dutzendweise auflösen. Arbeitsminister Antonio Magri sprach von einer Streichung von bis zu 40.000 Stellen im öffentlichen Dienst. Collor kündigte Erleichterungen für ausländische Investitionen in Brasilien an. Der Korruption und dem Mißbrauch wirtschaftlicher Macht sagte der Präsident den Kampf an. Er drohte den Leitern von Supermärkten bis zu fünf Jahre Gefängnis an, für den Fall, daß sie die Preise ungerechtfertigt erhöhen sollten. In Rio wurde bereits ein Supermarkt wegen übermäßiger Preiserhöhungen von der Polizei geschlossen. Collor bezeichnete die Maßnahmen auf der ersten Sitzung seines Kabinetts in Brasilia am Freitag als „dramatische Reformen“. Brasilien sei der leeren Worte müde, jetzt müsse entschieden und gehandelt werden.

Der jetzt verkündete Collor-Plan ist der vierte Plan dieser Art in Brasilien seit 1986. Die bisherigen Pläne waren im wesentlichen gescheitert, weil die Regierung die defizitären Staatsausgaben nicht etwa drosselte, sondern weiter ausdehnte. Die Folge war eine immer schneller steigende Staatsverschuldung und Inflation.

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