: Wenig Hoffnung für Bernd Rössner
Nach fünfzehn Jahren Haft entscheidet das Oberlandesgericht Düsseldorf über das Schicksal des kranken RAF-Gefangenen / Am Dienstag Besuch im Straubinger Knast / Bayerische Justiz und Bundesanwaltschaft gegen „vorzeitige Haftentlassung“ für den „Lebenslänglichen“ ■ Von Gerd Rosenkranz
Berlin (taz) - Der kommende Dienstag könnte ein entscheidender Tag im Leben des RAF-Gefangenen Bernd Rössner sein. Daß es mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht so kommen wird, dafür sorgen gemeinsam die Bayerischen Justizbehörden, der Generalbundesanwalt in Karlsruhe und ein nach dem Hungerstreik im vergangenen Jahr rapide gesunkenes Interesse der politischen Öffentlichkeit an dem seit Jahren psychisch und physisch kranken Gefangenen im Straubinger Gefängnis.
Am 24. April 1990 jährt sich zum fünfzehnten Mal der Tag, an dem Rössner als Mitglied des „Kommandos Holger Meins“ die bundesdeutsche Botschaft in Stockholm überfiel, um 26 GesinnungsgenossInnen aus den Hochsicherheitstrakten der Republik freizupressen. Je zwei Tote auf beiden Seiten blieben damals am Ort des Anschlags zurück. „Zweimal lebenslänglich“ wegen Mordes, Geiselnahme und versuchter Nötigung lautete im Juli 1977 das Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf (OLG). Am Dienstag, dem 20. März, wird der 6.Strafsenat des Gerichts Rössner in Straubing besuchen, um sich ein eigenes Bild vom Zustand, vor allem aber von der heutigen Haltung des Gefangenen zu machen. Das OLG hat darüber zu richten, ob fünfzehn Jahre genug sind, ob Bernd Rössner - wie es im Juristendeutsch heißt - „bedingt vorzeitig entlassen“ werden kann. Direkt beteiligt an diesem bei allen „Lebenslänglichen“ nach fünfzehn Jahren durchgeführten Haftprüfungsverfahren sind neben dem Gericht die Gefängnisleitung in Straubing („Anstaltskonferenz“) und die Bundesanwaltschaft als zuständige „Strafvollstreckungsbehörde“. Beide haben sich bereits schriftlich festgelegt, und zwar genau so, wie es von ihnen zu befürchten war. Gnadenlos.
Sowohl die „Schwere der Tat“ als auch die fehlende Einsicht in die Schuld stünden einer vorzeitigen Freilassung im Wege, heißt es nach taz-Informationen in beiden Stellungnahmen. Die Bundesanwaltschaft will gleich für zwei Jahre jeden Versuch unterbinden, dem Gefangenen ein Leben nach dem Knast zu eröffnen. Entsprechende Anträge sollen in diesem Zeitraum, so der Generalbundesanwalt, grundsätzlich nicht zugelassen werden. Rössner, der am letzten Hungerstreik (in dessen Verlauf unter anderem seine Freilassung gefordert worden war) selbst nicht mehr teilnahm, hat sich bisher stets geweigert, öffentlich seinen Abschied vom bewaffneten Kampf zu erklären. „Es fehlt der Kotau“, sagt Rössners Anwalt Peter Tode. Er hält es denn auch für „illusorisch“, zu glauben, daß es über die rechtliche Schiene zur Freilassung Rössners in einem absehbaren Zeitraum kommen kann. Entscheidend sei der politische Druck auf die bayerischen und Karlsruher Hardliner. Der aber sei nach dem Abbruch des Hungerstreiks im Mai 1989 praktisch zusammengebrochen.
Ganz falsch ist das sicher nicht. Als sich vor und während des Hungerstreiks die Berichte über Rössners besorgniserregenden Gesundheitszustand häuften, gaben Rebmann und die Münchner Justizministerin Mathilde Berghofer -Weichner (CSU) gleich mehrere psychiatrische Expertisen in Auftrag. Einer der Gutachter, der Münchner Psychiatrieprofessor Saß, erklärte den Gefangenen im April 1989 nach vierzehn Jahren Haft, darunter mindestens zehn unter Isolationsbedingungen und mit zahlreichen Hungerstreiks, für „nicht regelvollzugstauglich“. Als dann im Verlauf des letzten Hungerstreiks sogar der Verfassungsschutz und der Unterhändler der Bundesregierung, Staatssekretär Klaus Kinkel, Rössners Haftentlassung vorschlugen, glaubten viele, daß die Tortur für den Gefangenen bald ein Ende haben würde.
Doch es kam anders. Rössner, der inzwischen deutlich mehr Besucher empfangen konnte als zuvor, hatte sich Anfang 1989 entschlossen, erstmals seit seiner Verhaftung in der Straubinger Gefängnisgärtnerei zu arbeiten und, wie es hieß, allgemein seine „sozialen Kontakte“ im Knast ausgeweitet. Was vermutlich mit dem Silberstreif einer möglichen Freilassung am Horizont zu tun hatte, fiel umgehend auf den Gefangenen zurück. In einer nachgereichten Stellungnahme erklärte Professor Saß, um den „positiven Prozeß weiter zu verstärken, solle der Gefangene nicht aus seiner gewohnten Umgebung herausgerissen werden“. So jedenfalls gibt es Ministerialdirektor Hubert Dietl weiter, der im Münchner Justizministerium der Strafvollzugsabteilung vorsteht. Eine Freilassung habe ohnehin nie, auch nicht während des Hungerstreiks, zur Debatte gestanden, sagt Dietl heute. Damals habe man lediglich daran gedacht, Rössner in die psychiatrische Abteilung des Knastes in Hohenasperg bei Stuttgart zu verlegen.
Doch auf die Alternative „Straubing oder geschlossene Psychiatrie“ hätten sich wohl weder der Gefangene selbst noch sein Anwalt noch die Mitglieder eines Arbeitskreises der Evangelischen Studentengemeinde in München eingelassen, die sich seit Jahren um Haftverschonung für Rössner bemühen. Hans Löhr, ESG-Pfarrer und Mitglied der Gruppe, benennt den Teufelkreis, innerhalb dessen sich der ganze lähmende Stillstand nun schon seit Jahren abspielt: „Geht's ihm besser, fehlt die Haftunfähigkeit, geht's ihm schlechter, sagen die Behörden, er distanziert sich nicht.“
Daß die Düsseldorfer OLG-Richter nach ihrem Besuch in Straubing zu einer anderen Sicht der Dinge kommen und der Qual nach eineinhalb Jahrzehnten ein Ende machen, scheint nach den Vorlagen aus Karlsruhe und Straubing unwahrscheinlich.
„Sie brauchen gar nicht zu glauben“, meinte kürzlich ein hoher Gefängnisbeamter zu einer Rössner-Besucherin, „daß der in den nächsten Jahren rauskommt“.
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