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Beamtendeutsch-betr.: "So schnell wie möglich aussteigen", taz vom 8.3.90

betr.: „So schnell wie möglich aussteigen“, taz vom 8.3.90

In dem Artikel heißt es, daß für „die Kinder von Alleinerziehenden eine intensivere Betreuung erforderlich ist“. Uneingeschränkt, in schönem Beamtendeutsch.

Ich möchte mich hier auf das entschiedenste verwahren gegen diese grobschlächtig verallgemeinernde, subtile Diffamierung von Kindern, die mit ihrer Mutter allein leben (daß ein alleinerziehender Vater eher als Garant einer gelungenen Erziehung betrachtet wird, vermute ich aus dem ganzen Tenor des Artikels). Exakt der gleiche Ton wurde kürzlich auch in der Hamburger taz angeschlagen, als es um die Hamburger Kitas ging.

Ich lebe mit meiner achtjährigen Tochter allein und bin voll berufstätig. Meine Tochter besucht nach der Schule ein Hamburger städtisches Kindertagesheim mit völlig unzulänglicher personeller Ausstattung. Meine Tochter weist dennoch keinerlei Verhaltensauffälligkeiten auf und ist ein fröhliches, zuversichtliches Kind.

(...) Daß sogenannte intakte Familien vielfach der Nährboden für Neurosen und das seelische Unglück aller Beteiligten sind, ist keine Erkenntnis von mir allein. Daß aber Frauen, die sich die Mühe machen, sich und ihre Kinder aus dieser Teufelsmühle zu befreien, kurz mal ebenso im Nebensatz eins auf die Gusch kriegen und pauschal zum Sozialfall abgestempelt werden, zeugt nicht nur von journalistischer Oberflächlichkeit und Leichtfertigkeit, sondern läßt auch in mir die Frage entstehen, aus welchem moralinen LehrerInnen/BeamtInnen-Umfeld rekrutiert sich eigentlich die Redaktion der taz, die offensichtlich der Lebensrealität vieler Frauen völlig unkundig und gleichgültig gegenübersteht, aber mit peinlichster Akribie das Setzen des großen „I“ bei allen Wörtern mit „Innen“ beachtet. (Wenn sie das bloß immer täten! d.sin)

Gabriele Espitalier, Hamburg

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