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Teures Stück

■ Schumanns Arbeitspartitur des a-moll-Klavierkonzerts in Düsseldorf zeigt, daß Robert nicht von Clara abgeschrieben hat

Etwas besonderes war es schon: dieser kleine Morgenspaziergang vom Düsseldorfer Heinrich-Heine-Institut zur Stadtsparkasse. Rechts und links eskortiert von den Unterschriftsbevollmächtigten, durch deren Handzeichen allein sich Sesam öffnen würde. Durch den Tresorraum ging's zur nochmals besonders gesicherten Silberkammer. Die grauen Herren hielten sich im Hintergrund. Schließlich hielt ich das kostbare Stück in Händen: ein Büchlein, von dem jedes Blatt fast 30.000 Mark wert war bei Sotheby's Auktion Ende 1989. Die Seiten, die einen erstaunlichen Einblick in die Lebens- und Produktionsgemeinschaft von Robert und Clara Schumann, Erkenntnisse über die Fertigungsmethode der Firma S. erlauben.

Verschiedene öffentliche Hände haben das nötige Kleingeld bereitgestellt, um das einmalige Werk heim an den Rhein holen zu können: die in Berlin ansässige Kulturstiftung der Länder (ein Drittel), das für die kulturellen Angelegenheiten von nationaler Bedeutung zuständige Bundesinnenministerium (das zweite Drittel) und verschiedene Institutionen in Düsseldorf (den Rest). „Es war wirklich eine sehr spannende Veranstaltung“, versicherte Bernd Kortländer vom Heine-Institut, in dessen Obhut das 2,5 Millionen Mark teure Teil sich nun befindet (Preisfrage: wieviele Seiten hat das Manuskript? säzzer). „Der bekannte englische Musikantiquar Albin Rosenthal hat in unserem Auftrag die Hand gehoben und die ganze Sache im Vorfeld eingefädelt. Die entscheidende Frage war ja: wieviele Leute würden sich an dieser Auktion beteiligen? Da das Manuskript im Vorfeld auch in Tokio und New York ausgestellt worden war: würde es auch japanische Bieter geben? Die Szene ist eben - ähnlich dem Kunstmarkt - durch die Massen von japanischem Geld verunsichert. Aber es war dann nur ein Gegenbieter mit im Saal und es gab kein großes Bietergefecht; die Sache endete relativ schnell und zu unserer Überraschung auch im Rahmen des Schätzpreises. Es stimmt, daß 2,5 Millionen viel, viel Geld sind. Aber man muß die Bedeutung dieses Manuskripts sehen - und da ist es nicht zu viel.“

Für die Forschung ist das Autograph von höchstem Wert, weil es mehrere Phasen dieser Arbeit aufweist und sich die komplizierte Entstehung dieses Konzertes enthüllt: was als „romantischer Wurf“ erscheint, entpuppt sich als mühsam entwickelt, vielfach korrigiert und verändert. Die Öffentlichkeit wird zwar in ein oder zwei Jahren diesen Fetisch hinter Panzerglas bewundern können, sich aber doch fragen, ob der Preis gerechtfertigt war. Immerhin wurde dieses Manuskript, nachdem es 144 Jahre lang im Besitz der Familie Schumann, dann in dem des Bergrats Wiese und der Privatsammlung Menzel in Passau war, außer Landes geschafft und zum Spekulationsobjekt gemacht. Von der Möglichkeit, diesen Titel auf jene Liste des „national wertvollen Kulturgutes“ zu setzen, dessen Export verboten ist, wurde kein Gebrauch gemacht. „Solche Angelegenheiten sind mit großer Delikatesse zu handhaben“, erläuterte der Vizedirektor des Heine-Instituts. „Kein Privatmann kann dazu gezwungen werden, seinen Besitz der Öffentlichkeit zu präsentieren. Wenn dann der Weg über das Ausland in die deutsche Öffentlichkeit führt, dann ist das immer noch besser, als wenn sie in privaten Tresoren verschwinden.“ Auf den Einwand aber, daß für die Spezialisten unerheblich ist, ob ein solches Manuskript in Düsseldorf, New York oder Krakau zugänglich ist und ob es wohl tiefere, unausgesprochene Gründe für die Rückholung gebe, meinte Dr.Kortländer: „Sicher, es ist auch ein Identitätsproblem, ein gewisser Fetisch, so'n Manuskript. Wenn man aber die Japaner anschaut, die hier gegenüber zum Wohnhaus der Schumanns pilgern, die hier ins Museum kommen und sich die alten Gewänder von Clara, diese Manuskripte und Bücher ansehen - warum tun die das denn? Das hat doch einen Grund, das muß man doch nicht gleich mit dem Totschlagargument Nationalismus abwürgen.“

Der Einfluß Clara Schumanns auf dieses Konzept war wohl nur mittelbar; sie spielte die ursprüngliche Phantasie-Fassung im August 1841 im Leipziger Gewandhaus; als Weihnachtsgeschenk für Robert komponierte sie im Dezember eine Klaviersonate g-moll, in deren erstem Satz sich Reminiszenzen an das a-moll-Konzert finden. Das offensichtlich mit der Absicht der „Aufwertung“ von Clara Wieck/Schumanns kompositorischem Talent in Umlauf gesetzte (und auch von der taz kolportierte) Gerücht, er habe von ihr „abgeschrieben“, erweist sich leider als unhaltbar. Und auch die aus dem Düsseldorfer Autograph ersichtliche gehobene Kopistentätigkeit der Clara Schumann zerstört die Hoffnung, sie könnte Miturheberin jenes Werks sein, welches als „Inbegriff der musikalischen Romantik in Deutschland“ gilt.

F.R.

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