: Streit um Deutschland
Warschauer-Pakt-Staaten und die militärische Westintegration ■ G A S T K O M M E N T A R
Nach der letzten Sitzung der Außenminister des Warschauer Pakts könnte man den Eindruck haben, das künftige Gesamtdeutschland sei schon jetzt von mehreren osteuropäischen Bündnispartnern der Nato zugeschlagen worden. Von der Überlegung ausgehend, ein vereintes Deutschland müsse auch zukünftig innerhalb eines militärischen Systems „kontrolliert“ werden, geben die Warschauer-Pakt-Staaten wesentliche Positionen preis.
Entschuldigung, ich habe da eine naive Frage: Warum sollte eigentlich dieses Deutschland unbedingt von vornherein einem der Blöcke angehören? Und dann auch noch ausgerechnet der Nato? Bisher hat man doch nicht unwiderlegbar beweisen können, daß die Nato mehr Friedens- und Sicherheitsgarantien bietet als der Warschauer Pakt. Deshalb wäre die sowjetische Überlegung, das künftige Deutschland könnte genauso Mitglied des Warschauer Pakts werden, durchaus berechtigt. Ein solcher Gedanke aber wird vom Westen mindestens mit gleicher Vehemenz, vor allen Dingen in der Bundesrepublik, abgelehnt, wie Schewardnadse andererseits den Vorschlag für die Integration Gesamtdeutschlands in die Nato abweist.
Wäre die Vereinigung Deutschlands an die Bedingung des Beitritts in den Warschauer Pakt geknüpft, könnte der Westen dies nicht akzeptieren. Das leuchtet auch ein. Deshalb ist aus offizieller sojwetischer Sicht der neutrale und demilitarisierte Status für den kommenden deutschen Staat wohl die Lösung, um diesen Widerspruch aufzuheben. Nun heißt es aber - und nicht nur aus dem Westen, sondern auch von manchen Mitgliedern des Warschauer Paktes -, je weiter ein Staat in ein militärisches Bündnis integriert ist, desto besser kann er kontrolliert werden. Die Integration in ein Bündnissystem bedeutet aber, daß dieser Staat vor allem die Politik dieser Bündnisorganisation befolgen und mittragen muß. Und hier werden wir wieder mit der Frage konfrontiert, ob die Nato mit einem größeren Deutschland etwas besseres für Europa wäre als die an die Wand gemalte Schreckensvision von einer „Großmacht Deutschland“.
Beschwichtigende Konzepte wie der Genscher-Plan, ein vereinigtes Deutschland werde zwar Bestandteil der Nato sein, ohne jedoch deren militärische Struktur auf das Gebiet der DDR auszuweiten, sind da wenig überzeugend. Wenn der Osten Deutschlands entmilitarisiert wird, entsteht dort auf jeden Fall ein militärisches Vakuum. Gleichzeitig soll nach diesem Plan garantiert bleiben, daß die Bundeswehr so weiterexistieren kann wie bisher und die amerikanischen Truppen im Lande bleiben. Man kann der Sowjetunion schwerlich zumuten, sich darauf einzulassen. Denn das würde in der Praxis nichts anderes bedeuten, als Gesamtdeutschland in die Nato aufzunehmen. Soll so der Beitrag zur Wahrung der Berechenbarkeit Deutschlands in einer zukünftigen europäischen Friedensordnung aussehen?
Dimitri Tulschinski
Der Autor ist Deutschlandexperte und Redakteur bei 'Nowosti‘ in Moskau.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen