piwik no script img

Lego oder Dialektik des Aufbaus

■ Lustig war das Piratenleben / „Lego-Weltschau“ bei Horten / Die Zukunft des vielgeliebten Steinchens

Das Problem mit Lego war damals (die Pullover waren noch aus Nylon), daß, hatte man allerlei Mühe und Herzblut und alle Steine in den Bau eines Eigenheims mit drei Türen verwandt, die Lust nur nach völliger Destruktion weitergehen konnte. Das Problem verschärfte sich, wenn, was die Regel war, der Alte einen Palast errichtet hatte, der wenigstens eine Woche Schonzeit hatte. Man merkt sofort: Neben dem Konstruktiven, Beruhigenden, Eigenheimfreundlichen vermittelte Lego, allen aufklärpädagogischen Miesmachereien der Sechziger („binäre Struktur“ u.s.f.) zum Trotz, einen tiefen Sinn für die Dialektik des Aufbaus.

Nämlichem Phänomen begegnen wir auch dieser Tage, wenn wir uns in die vierte Etage der Galeria Horten begeben und Pumaschuh links und Jokerpulli rechts liegen lassen: Auf 300 qm präsentiert sich die Lego-Weltschau, eine aus Kindsperspektive gigan

tische Deko-Installation auf der Basis des vielgeliebten farbigen Plastiksteins.

Motto der „Weltschau“, die durch die BRD tourt und mal „In 80 Tagen um die Welt“ oder „Orientalische Märchen“ hieß, ist diesmal „Welt der Piraten“, und es geht wild und waffenstarrend und grausam und karibisch zu. Landkarten, versteckreiche Inselparadiese, Enter- und Haifischfütterszenen illustrieren das Leben schillernder Piratengestalten. Alles Lego. Käpt'n Kidd (1701 gehängt) läßt einen Farbigen aus ungezählten schwarzen Legosteinen seinen Schatz vergraben, während der schreckliche Blackbeard sich Räucherstäbchen an den Hut steckt, um die Leute zu schrecken. Die Piratin Anne Bonny erleben wir in einer Gerichtsszene: Der Richter (mit Perücke) verdonnert ihren Kerl Calico Jack zum Strang, woraufhin dieser den Lego-Stinkefinger hebt; seine Braut Anne wird begnadigt, weil sie schwanger ist, was aber darzustellen Lego offenbar überforderte und nur dem Begleittext zu entnehmen ist.

Zwischen all den kämpfenden, schlemmenden, zechenden und schatzkistenausräumenden

Mannsbildern, die immerfort grimmig lachen vom Endlosband, stehen kleine Lego-Werkbänke, kippsicher, für die Kids. Hier entstehen, Mordbuben hin, Dreimastsegler her, vor allem Häuser. Hier baut Jan sein „Spitzhaus“, und Antje konstruiert eine Schule mit 18 Kleinen und einer LehrerIn, eine „Piratenschule“, sagt sie. Allabendlich, so „Weltschauleiter“ Jürgen Schrader zur oben erwähnten Problematik, werden die „kleinen Bauwerke“ zerstört, aber nie, solange noch ein Kind dabei ist.

PR-Schrader, der die „Weltschau“ seit '83 begleitet, kann mit vielen Zahlen belegen, daß Lego nicht nur Spielerei ist: Immerhin 1/2 Million kostet das Ganze, die deutsche Legotochter kauft die Schau der Mutter ab, die in Billund in Dänemark sitzt und dort ihr „Legoland“ hat, ein größeres Freizeithalligalli, für das die Schau gebaut wird. Dort sitzen auch die Deko- und Werbeleute, die überwiegend kleine bunte Steine im Kopf haben, wenn sie die Szenen mit locker über 50.000 Einzelteilen in 330 Stunden zusammenbauen. Die Ausrichtung bei Horten teilen sich Kaufhaus und Weltkonzern Lego (je 75.000 DM); der deutsche Markt ist nach

wie vor der lebhafteste und immer für zweistellige Zuwachsraten gut.

Die Zukunft des Legosteins sieht Schrader in High-Tec für Kids; sind heute noch pneumatische Maschinen und Fahrzeuge der letzte Schrei, kommen ab August sog. „Technic-Control -Center“ auf die Abelfjährigen zu; dann sind bis zu drei Stunden programmierbare Bewegungsabläufe möglich, also etwa Geräte, die selbsttätig ausdauernd Häuser zeichnen. Alles, logo, Lego und zerlegbar, auch wenn der Aufbau 8-12 Stunden dauert und erfahrungsgemäß die Eltern die Demontage am liebsten verhindern möchten.

Der fette Pirat pennt in der Hängematte; der Koch zieht eine Legomaus aus der Suppe, der Hungrige schüttelt entsetzt den Kopf; Mäuse machen sich über die Wurst her und Käpt'n Hook mit Holzbein hat einen zahmen Papagei: Wer könnte dieses Inselidyll zerlegen? Nein nein, die Härte ist nicht nötig, am Schluß der BRD-Tournee werden die edel -grausamen Galgenstricke an Spielwarengeschäfte zwecks Dekoration verteilt. Bei Lego besteht eben an Steinen kein Mangel.

Bu

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen