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Siemens: „Flecken im guten Ertragsbild“

■ Hauptversammlung in München: Triadenmärkte, US-Geschäft und DDR im Blick

München (taz) - Der Vorstandsvorsitzende der Weltfirma Siemens, Karlheinz Kaske (62), ist zufrieden. Der zweitgrößte Konzern der Republik spielt ab sofort auch „in der Oberliga der internationalen Chiphersteller“ mit, sagte Kaske vor den rund 3.000 Groß- und KleinaktionärInnen in der riesigen Münchner Olympia-Halle. Zum Weltumsatz des Geschäftsjahres 1988/89 von insgesamt 61 Milliarden D-Mark, der gegenüber dem Vorjahr um 15 Prozent gestiegen ist, trug der Konzernbereich Halbleitertechnik - hier vor allem die Massenproduktion von Ein-Megabit-Chips - mit einem Umsatzplus von satten 45 Prozent bei.

Dennoch bleibt das Chipgeschäft für Siemens noch ein Verlustgeschäft, denn das Eindringen in die Märkte der Triade (Europa, Nordamerika, Japan) hat Investitionssummen in Milliardenhöhe verschlungen. Bei den 64-Megabit-Chips hat sich Siemens inzwischen mit IBM zusammengetan, um die Entwicklungskosten zu halbieren.

Mit Blick auf die Triade und vor allem auf den europäischen Binnenmarkt hat sich Siemens im abgelaufenen Geschäftsjahr für rund sieben Milliarden D-Mark eingekauft; den größten Anteil daran hatte der britische Elektrokonzern Plessey, den Siemens gemeinsam mit der gleichfalls britischen General Electric Company erworben hatte. Erst im laufenden Jahr wird der siebzigprozentige Einstieg bei Nixdorf bilanzwirksam werden. Für Anfang April wird der Bescheid des Bundeskartellamts erwartet.

Die Weltfirma setzt auch im Atomenergiebereich weiter auf Wachstum. In den neunziger Jahren erwartet der Vorstand eine deutliche „Belebung“ beim AKW-Bau. Die Siemens-Tochter KWU kooperiert deshalb mit dem französischen Reaktorhersteller Framatome. Die gemeinsame Firma Nuclear Power International mit Sitz in Paris soll vor allem Druckwasserreaktoren für den internationalen Markt produzieren.

Das atomare Engagement der Siemens war denn auch das Thema für die kritischen Aktionäre. Eduard Bernhard vom BBU monierte vor allem die neue „Atomeuphorie“ der Konzernspitze - „trotz der fehlenden Endlagermöglichkeiten“. Bernhard warnte auch vor einer „atomaren Umarmung“ der DDR und Osteuropas, denn damit werde dort die Chance zum Aufbau umweltverträglicher Energiesysteme vereitelt. Auch die Übernahme der maroden Atombetriebe im hessischen Hanau durch die Siemens AG wurde von den kritischen Aktionären scharf verurteilt. Lob gab es für die Absicht, auf dem Ex-WAA -Gelände eine Solarzellenfabrik errichten zu wollen. Mehrere SprecherInnen forderten vom Vorstand den zügigen Ausbau dieses neuen Konzernbereichs.

Den Sprechern der KleinaktionäreInnen war hingegen vor allem der Preis für die Übernahme der vormals zu IBM gehörenden Rolm Systems in den USA zu hoch. Die Investitionen in den USA sorgten dafür, daß das Geschäft dort mit roten Zahlen zu Buche schlug: 572 Millionen D-Mark drückten den Weltkonzerngewinn, der vor allem in Westeuropa erwirtschaftet wurde - „Flecken im insgesamt guten Ertragsbild“ (Kaske). Die verhaltene Kritik der Kleinaktionäre konterte der Vorstand mit der Ausschüttung von 12,50 D-Mark Dividende für jede Aktie. „Wunderbar“ nannte das die Sprecherin der Deutschen Schutzgemeinschaft für Wertpapierbesitzer, Gablowski.

Mit Verve wird sich Siemens demnächst auf die osteuropäischen Märkte stürzen und insbesondere den Telekommunikationsmarkt in der DDR erobern. In seinem Vorstandsbericht wies Kaske darauf hin, daß sich die Post der DDR in sechs großen Städten bereits für die Übernahme des Siemens-Vermittlungssystems EWSD entschieden habe.

Mit zahlreichen DDR-Unternehmen stehe man in konkreten Verhandlungen über den Abschluß von Kooperationsverträgen. Kaske erwähnte insbesondere die Verhandlungen der KWU mit dem VEB Görlitzer Maschinenbau auf dem Gebiet der Kraftwerkstechnik. Bekanntgegeben wurde auch die Gründung einer neuen Gesellschaft in Dresden zwischen dem DDR -Hersteller Robotron, dem hessischen Softwarehaus SAP und Siemens für die Umstellung der Robotron-Rechner auf neue Software-Bedürfnisse. Die GmbH soll mit der Arbeit beginnen, sobald die rechtlichen Voraussetzungen geschaffen sind. Der Siemens-Vorstand jedenfalls setzt voll auf Deutschland und seine neue wie alte Hauptstadt: „Im Zweifel für Berlin.“

Klaus-Peter Klingelschmitt

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