: Keine Idylle-betr.: "Flucht in den Haß", taz vom 22.3.90
betr.: „Flucht in den Haß“, taz vom 22.3.90
Die Verklärung der Vergangenheiten ist eigentlich schon längere Zeit out. Trotzdem will das manch einer nicht wahr haben. Nun lasse ich grundsätzlich jedem seine Eigenheit. Nischt dajejen. Nur, daß im 16. und 17. Jahrhundert in Siebenbürgen ein Gemeinwesen mit religiöser und ethnischer Toleranz blühte, ist reine Fantasie. Die meisten Jahre beider Jahrhunderte verzeichnet die so gelobte Gegend Krieg, Aufruhr, Bauernaufstände und, irgendwo muß das Geld ja herkommen, übelste und menschenverachtendste Auspresserei der Bauern. Die Türken und Österreich haben sich an der Krawatte; Siebenbürgen ist mal selbständig, mal Vasall der einen, mal Vasall der anderen Seite, es wird besetzt, was da zu passieren plfegt, ist bekannt, und wird befreit, das ist kaum weniger angenehm, und die Toleranz, von der Semler faselt, mag darin bestanden haben, daß man niemanden erst lange fragte, ob er nun Muselman, Christ oder Heide sei, oder welcher ethnischen Gruppe er angehöre, bevor man ihm die Rübe runterhieb. So, und nicht anders, sah die Idylle aus. Mein Gott, Semler, muß man Dir denn alles sagen?
Klaus W. Kowol, Gummersbach
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