: Der saubere Herr Pieroth und die Wein-Justiz
Mainzer Landtag setzt Untersuchungsausschuß ein, der prüfen soll, ob im Pieroth-Glykolskandal Einfluß auf die Justiz genommen wurde / Schon 1986 skizzierte ein Gericht, wie der Pieroth-Konzern mit der Wein-Justiz umging / „Daß nicht die Presse von dem Vorfall erfährt“ ■ Von Joachim Weidemann
Mainz (taz) - Der Glykolskandal des Weinkonzerns Pieroth beschäftigt nun auch einen Untersuchungsausschuß des Mainzer Landtags. SPD und Grüne wollen klären, ob und wie im Pieroth -Verfahren auf die Wein-Justiz Einfluß genommen wurde. Die CDU beschuldigt die Staatsanwälte, Akten an die Medien weitergeleitet zu haben.
Nötig wurde der U-Ausschuß „Pieroth/Glykol“ nach der spektakulären Ablösung dreier Wein-Staatsanwälte. Sie wollten im Zuge der Pieroth-Ermittlungen auch den Chef der Mainzer Staatskanzlei, Hennes Schreiner (CDU), durchsuchen, was ihre Vorgesetzten in letzter Minute unterbanden. Derweil prüft die Staatsanwaltschaft Bad Kreuznach noch immer, ob sie auch gegen den Möchtegern-DDR-Wirtschaftsminister Elmar Pieroth (CDU) ermitteln muß - wegen seiner Verstrickung in den Glykolskandal und des Verdachts der uneidlichen Falschaussage. Für Ermittler und U-Ausschuß wird ein Verfahren des Mainzer Landgerichts aus dem Sommer 1986 interessant. Auf der Anklagebank saß damals der Verteidiger Carlos Schulz-Knappe, Rechtsexperte in Sachen Wein. Zu verantworten hatte er sich wegen des Verdachts der Falschaussage. Schulz-Knappe hatte 1982 vor dem Mainzer Untersuchungsausschuß „Wein“ Brisantes geäußert: Der Pieroth -Konzern habe versucht, die Wein-Justiz zu beeinflussen, um die Einstellung eines Panscher-Prozesses zu erreichen, der das Unternehmen in Mißkredit hätte bringen können.
Doch Schulz-Knappe wurde nicht nur vom Vorwurf der Falschaussage freigesprochen. Zugleich wurde vor Gericht nachgezeichnet, wann und wie die Pieroths tatsächlich versucht hatten, über die Justiz Schaden vom eigenen Unternehmen abzuwenden.
Die Vorgeschichte: 1978 verteidigte Schulz-Knappe den nicht gerade unbescholtenen Weinkaufmann B., der mit Pieroth regen Weinhandel pflegte. Bei einem dieser Geschäfte indes jubelte B. dem Konzern 1,3 Millionen Liter manipulierter Prädikatsweine unter. Schulz-Knappe stellte sich schon auf einen gewaltigen Schadenersatzprozeß ein, als die Sache eine eigentümliche Dynamik entwickelte: Im März 1978 wurde das Verfahren gegen 100.000 Mark Bußgeld plötzlich eingestellt. Herr B. nahm den Richterspruch an. Sein Verteidiger Schulz -Knappe indes blieb verdutzt zurück. Der Fall, so Schulz -Knappe, war „nahezu ohne meine Tätigkeit positiv verlaufen“. Schulz-Knappes Vermutung: Da waren die Pieroths und die CDU am Werk.
Die Pieroths fürchteten in der Tat, ihr Name gerate durch den Fall B. in Verruf. Der Konzern rechnete mit Umsatzeinbußen bis zu 40 Millionen Mark. Pieroths Pressesprecher konstatierte damals, so das Mainzer Gericht, ein „vitales Interesse daran, daß die Namensnennung verhindert wird“. Um dies zu erreichen, zog Pieroth-Syndikus Nordmann alle Register: Zum einen erhielt Herr B. das verlockende Angebot, der Pieroth-Konzern übernehme die Hälfte der Buße, falls B. den Strafbefehl akzeptiere. Zum anderen suchte Nordmann persönlich den Oberstaatsanwalt Bohr auf, so das Gericht, und „versuchte, ihn davon zu überzeugen, das Verfahren einzustellen“. Außerdem wollte er auch gleich die Namen von Bohrs Vorgesetzten bei Staatsanwaltschaft und Justizministerium wissen. Bei denen wolle er „vorstellig werden, um auf die Bearbeitung einwirken zu können“, sagte Bohr vor'm Landgericht aus. Doch Nordmann blitzte zunächst ab.
Er wandte sich daraufhin an den zuständigen Referenten im Justizministerium, Ministerialrat Konrad, und an den Kammervorsitzenden, Richter Pahl. Als Pahl schließlich anregte, das Verfahren einzustellen, wurde Ermittler Bohr erst einmal stutzig und verständigte den Koblenzer Generalstaatsanwalt Ulrich. Ulrichs Ermittler prüften daraufhin den Fall. Sie kamen zu dem Schluß: die Einstellung des Falls B. wäre „unvertretbar“. Dennoch wurde eingestellt. Nicht ganz unschuldig daran dürfte ein Brief von Justizminister Theisen (CDU) vom 17. Februar 1978 gewesen sein, der den Ermittlern zuging. Darin stellte Theisen, der laut Mainzer Landgericht mit den Pieroths „persönlich bekannt ist“, den Fall B. zwar in das „Ermessen der Staatsanwälte“. Doch zugleich ließ er durchblicken, er „billige“ die Einstellung.
Am 22. Februar 1978 konnte Nordmann jedenfalls verbuchen, daß der Einstellung des Verfahrens nichts mehr im Wege stand. Selbstverständlich“, so fügte er laut Mainzer Landgericht hinzu, müsse „sichergestellt werden, daß nun nicht doch noch die Presse von dem Vorfall erfährt. Insbesondere von den Bemühungen der Firma Pieroth um die Einstellung des Verfahrens.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen