: Lebensgefährliche Schulwege
Schwachhauser Kinder leben gefährlich / Eltern spielten „lebende Ampel“ ■ Wege mit potentiell tödlichem Ausgang. Foto: J. Oberheid
Sechs Wochen nach einem schweren Autounfall hat sich die achtjährigen Charlotte J. noch immer nicht von den Folgen erholt. Am 12. Februar hatte ein Auto die Schwachhauser Schülerin erfaßt und schwer verletzt, als sie die Hartwigstraße überqueren wollte. Bis heute sind sich die Ärzte unsicher, ob Charlotte nicht bleibende Schäden davontragen werde.
„Der Unfall war kein Zufall“, glauben Charlottes Eltern Annette und Christian J. Und: Er wäre vermeidbar gewesen. Durch eine einfache Fußgänger-Ampel, für die sich eine Schwachhauser Anwohner-Initiative zur Verkehrsberuhigung der Hartwigstraße seit langem einsetzt. Bis heute vergeblich.
Gestern spielten die Eltern selbst Ampel: 40 Erwachsene und 50 Kinder versperrten in regelmäßigen Abständen den Autos den Weg, die ansonsten mit bis zu 80 km/h ungehindert und ohne Rücksicht auf spielende Kinder durch die Hartwigstraße rasen. Mit einer Menschenkette riegelten sie die Straße ab und sorgten so ausnahmsweise für einen ungefährdeten Schulweg der rund 100 Kinder aus der Nachbarschaft. Sehr zum Ärger einiger Autofahrer, die wutschnaubend kehrt machten und mit kreischenden Reifen den Rückzug antraten, als sie die gewohnte Rennstrecke plötzlich versperrt fanden.
Die Eltern-Aktion, so vermutet Mitinitatorin Annette J., wird vermutlich nicht die letzte gewesen sein: Obwohl bereits 150 Anwohner schriftlich an Innensenator Peter Sakuth appelliert haben, mit einer Ampel den Kindern endlich den Weg durch die Autokolonnen zu bahnen und trotz der Unterstützung durch Schwachhauser Stadtteilbeiräte und Ortsamtsleiter haben Verkehrsbehörde und Senat bis heute keine Entscheidung getroffen.
Mit guten Gründen, wie Bremens oberster Verkehrsplaner Klaus Hinte findet. Auch Hinte versteht zwar die Sorgen der Eltern, hält eine Ampel aber erstens für keine Lösung und zweitens für rausgeschmissene 50.000 Mark: „Eine Ampel kann zwar an einem bestimmten Punkt den Autoverkehr stoppen, in einem größeren Radius wirksam verlangsamen kann sie ihn nicht.“ Gerade spielende Kinder hielten sich erfahrungsgemäß eben nicht an die Vorgaben von Verkehrsplanern. Hinte: „Eine rote Ampel nützt gar nichts, wenn die Kinder 100 Meter weiter über die Straße rennen. Im Gegenteil: Sie suggeriert Autofahrern nur eine Scheinsicherheit.“ Hintes Alternativorschlag: Zusätzliche Fahrbahnverengungen, die die Autos in der gesamten Hartwigstraße zu gemäßigtem Tempo zwingen.
Überzeugen konnte Hinte Eltern Anwohner mit seinen Gegenargumenten bis heute nicht. Hinte resigniert: „Gegen die Forderung nach Ampeln kämpfen nicht nur die Fachleute vergebens, sondern auch die Götter.“
K.S.
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