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Die Ostberliner Studenten warten noch ab

■ Der Ansturm auf FU und TU hat noch nicht eingesetzt, die Bewerberzahlen zum Sommersemester sind relativ gering / Verwaltung rechnet mit Ost-Studenten-Boom zum Wintersemester / Problem: Die DDR-Abiturienten haben die besseren Zeugnisdurchschnitte

Die Nachfrage von DDR-Bürgern nach Studienplätzen an Westberliner Hochschulen ist für das Sommersemester zunächst noch geringer als erwartet. Für die Westberliner Hochschulen und Fachhochschulen legte Wissenschaftssenatorin Barbara Riedmüller (SPD) gestern erste Zahlen vor. Demnach wurden an der Freien Universität für das Sommersemester 144 Studienbewerber mit Wohnsitz in der DDR zugelassen. Etwa 130 weitere Zulassungen sind solche für Aus- und Übersiedler. An der Technischen Universität waren von insgesamt 880 Ersteinschreibungen 234 DDR-Bürger beziehungsweise Aus- und Übersiedler. Die Zahlen für die Fachhochschule für Sozialarbeit und die Fachhochschule für Wirtschaft sind mit 3 beziehungsweise 8 sehr gering. Für die Hochschule der Künste und die Technische Fachhochschule liegen 156 beziehungsweise 31 Bewerbungen vor.

Wie aus einer Statistik der Technischen Universität (TU) hervorgeht, herrscht Nachfrage besonders nach solchen Fächern, die in der DDR nicht oder unzureichend angeboten werden. So gab es bis zum Stichtag 8. März bei den TU -Bauingenieuren die meisten Anfragen, nämlich 370.

Allgemein wird mit einem großen Ansturm zum Wintersemester 1990/91 gerechnet. Da die TU den starken Wunsch geäußert hat, nicht stärker zu wachsen, und auch die Freie Universität seit längerem am Rande ihrer Kapazität steht, sieht Senatorin Riedmüller einen Ausweg darin, Investitionen „in Richtung DDR“ fließen zu lassen.

Das Problem der Anerkennung von DDR-Abiturzeugnissen werde Berlin ab dem Wintersemester 1990/91 übergangsweise durch eine Quotenregelung für einzelne Hochschul-Fachbereiche lösen. Dabei sollen pro Fach im Verhältnis zu den Bewerberzahlen zwei Gruppen gebildet werden, eine für Ost und eine für West-Bewerber. Innerhalb ihrer jeweiligen Gruppe sollen die Bewerber um Studienplätze konkurrieren.

Hintergrund ist das Ungleichgewicht zwischen DDR und Bundesrepublik bei den Durchschnittsnoten ihrer Abiturienten. In Ost-Berlin liege der Durchschnitt bei 1,3, in West-Berlin aber bei 2,7, so daß bei einer Anerkennung des DDR-Abiturs die Ost-Abiturienten automatisch die bessere Ausgangsposition haben. Die Kultusministerkonferenz konnte sich bisher noch nicht auf ein gemeinsames Verfahren zum Ausgleich der Chancen verständigen. Die Ankündigung der Bundesländer Bayern und Rheinland-Pfalz, ab sofort kein DDR -Abitur mehr anzuerkennen, nannte Frau Riedmüller „das zwar einfachste und radikalste, aber auch das unangemessenste Verfahren“. Es bedeute, daß der DDR-Schulabschluß in diesen Ländern „überhaupt nichts mehr wert ist“.

dpa

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