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Wem gehört Kaschmir?

■ Im indischen Bundesstaat eskaliert die Gewalt moslemischer Separatisten / Am Wochenende wurde ein indischer Oppositionspolitiker erschossen / Tausende Hindu-Familien auf der Flucht

Srinagar (ips/afp/taz) - „Kaschmir ist wie eine islamische Braut, die in eine hinduistische Familie einheiratet - in ihrer Ehe wird es immer Probleme geben.“ Deswegen sei eine Trennung von Vorteil, erklärt ein älterer Arbeiter das Anliegen der Kaschmir-Separationsbewegung in Indien. Am Wochenende haben moslemische Unabhängigkeitskämpfer einen ehemaligen indischen Kommunistenführer und Journalisten erschossen. Der Name des 73jährigen Abdul Satar Ranjoor soll mit hundert weiteren auf einer Todesliste gestanden haben. Er war ein überzeugter Anhänger der indischen Union gewesen. In Kaschmir bilden Hindus eine Minderheit. Nahezu 65 Prozent der Bevölkerung sind Muslime. Mit Unabhängigkeitsforderungen, Bombenattentaten auf Regierungsgebäude und bewaffnetem Terror gegen Beamte hatten radikale muslimische Separatisten im Dezember die Zentralregierung in Neu-Delhi herausgefordert. Sie reagierte mit der Entmachtung der lokalen Regierung, erklärte den Ausnahmezustand und entsandte Truppen, die seither vergeblich versuchen, Ruhe und Ordnung wiederherzustellen.

Bereits 11.000 Hindu-Familien seien nach Jammu geflüchtet, berichtete B.K. Handoo, der Präsident des Hindu-Kampf -Komitees, vor kurzem in Srinagar. „Einige Leute kamen vor unser Haus in Anantnag, brüllten Slogans und forderten uns auf, zu verschwinden. Sie drohten, unser Haus niederzubrennen. Wir packten ein paar Kleider zusammen und reisten ab“, bestätigt die Erzieherin Sheela Raina. Zusammen mit ihren zwei Kindern und der übrigen Familie lebt sie jetzt in einem Zelt in der indischen Hauptstadt Neu-Delhi. Handoo vom Hindu-Kampfkomitee verweist auf ein Dilemma: die Hindus könnten sich weder leisten gegen Indien noch gegen Kaschmir zu sein. „Wenn es eine Volksabstimmung gibt und sich die Mehrheit für Pakistan entscheidet, werden wir Hindus das Tal verlassen. Wenn aber ein säkuläres unabhängiges Kaschmir entstehen sollte, werden wir bleiben.“

Über die Flucht der Hindus sind selbst viele Muslime besorgt. Sie versichern, nicht für ein islamisches Kaschmir, sondern für ein unabhängiges Land zu kämpfen, das auch für Minderheiten Platz habe. Der Aufstand wird vor allem von der verbotenen „Befreiungsfront Jammu und Kaschmir“ (JKLF) geführt. Andere militante Gruppen fordern die Gründung eines islamischen Staates und das Recht, sich dem pakistanischen Nachbarn anzuschließen.

sl

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