: Alternative Liste rat- und tatenlos
■ Nach dem Rücktritt der Fraktionschefin sucht die Berliner Alternative Liste nach der Sollbruchstelle für die Koalition
Berlin (taz) - Seit gestern hat es der Präsident des Berliner Abgeordnetenhauses schriftlich: Die Fraktionsvorsitzende der Alternativen Liste (AL), Heidi Bischoff-Pflanz, eine der Symbolfiguren der rot-grünen Koalition, legt ihr Mandat im Berliner Parlament nieder. Währenddessen waren die Nachwirkungen des für alle überraschenden Schritts bei den ehemaligen Fraktions- und Funktionärskollegen auf einer Pressekonferenz noch deutlich spürbar.
Entscheidend sei bei der alltäglichen Politik mittlerweile, so Harald Wolf, Mitglied des Geschäftsführenden Ausschusses der AL, wer im Feilschen um eine gemeinsame Politik und im Spiel „wechselseitiger Erpressungsversuche die besseren Nerven hat“. Die SPD betreibe zunehmend Blockadepolitik. Auf Dauer sei dies für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit nicht erträglich. Wo nun aber die Grenze des Erträglichen erreicht sein soll, wollte und konnte keineR der AL-VertreterInnen sagen.
Die bislang eher schwammige Schmerzgrenze der Alternativen soll nun in diversen Sondersitzungen und Diskussionen anhand der Sozial- und Deutschlandpolitik neu gezogen werden. Nach der klaren Niederlage gegen die SPD-Mehrheit im Senat im Konflikt um einen Zusatztarifvertrag für die Berliner ErzieherInnen steht nach den Worten der stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Renate Künast die „konkrete sozialpolitische Orientierung dieses Senats“ zur Debatte. Wenn die Koalition mit sozialen Konflikten so umgehe wie mit dem Kitastreik der ErzieherInnen, dann werde die erhoffte gesellschaftliche Akzeptanz für die rot-grüne Politik sicher nicht eintreten.
Nachdem die AL in der deutschlandpolitischen Diskussion seit dem 9. November im Schatten Walter Mompers und der SPD kaum mehr auszumachen war, steht ein Koalitionsstreit möglicherweise in der Frage des Anschlusses der DDR nach Artikel 23 des Grundgesetzes an. Der Regierende Bürgermeister Momper hatte vor einigen Tagen erneut sowohl die Anwendung von Artikel 146 als auch 23 für vorstellbar erklärt. „Diese Debatte kann er nicht einfach nach Berlin übernehmen“, erklärte Künast. Für jeden offensichtlich, hat die Berliner SPD in den letzten Tagen und Wochen deutschlandpolitische Übereinstimmungen mit der CDU gesucht und auch gefunden. Daraus resultierende Gerüchte über eine mögliche Große Koalition zwischen SPD und CDU wies der SPD -Fraktionsvorsitzende Staffelt weit von sich. „Eine Große Koalition ist keine Alternative.“ Den Rücktritt der AL -Politikerin bedauerte Staffelt, kritisierte den Schritt aber gleichzeitig als sinnlos. „Mit der Niederlegung eines Amtes hat man noch nie etwas bewirkt.“
Andrea Böhm
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