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Künstlerfamilienalbumbilder

■ Ausstellung „Meisterfotografen sehen Alberto Giacometti“ im Forum Böttcherstraße

So ein Foto Album möchte ich auch gerne haben. So eines, das anfängt mit dem kleinen rotznasigen Pimpf, der sich mal eben mit Brüderlein und Schwesterchen für ein Familienfoto zusammenstellt, der dabei schon jene verächtliche Distanz zum profanen Vorgang des Fotografiertwerdens von den Lippen tropfen läßt, daß der Fotograph recht schnell verschwindet und den kleenen Marinegestreiften gleich wieder an wichtigere Aufgaben läßt. So ein Album, daß weitergeht, auch als der Matrosenanzug abgelegt und gegen die Studentenkapppe getauscht ist, das nicht halt macht, das den Lebensweg weiterverfolgt, in dem die Fotographien immer lebendiger werden, je älter das Objekt, in dem die Fotographen immer prominenter werden, bis sich das Album schließlich liest wie eine „Geschichte der Fotografierkunst im 20ten Jahrhundert“.

Aber schließlich ist auch nicht jeder Alberto Giacometti (1901-1966), jener Schweizer Bildhauer und Maler, der zeitlebens am Rand der avantgardistischen Bewegungen stehend, jene in die Länge gestreckten Figuren schuf, die stolpernden Schrittes oder mit starren, zusammengedrückten Knien auch im Stillstand nicht aus der Bewegung geraten. Und schließlich hat auch nicht jeder solch ein Gesicht mit den tiefen Gräben, den abrupten Ecken und Kanten, mit diesem energischen Blick, mit den wachen Augen und dem ewig sich wandelnden Ausdruck, daß er so die Fotografen reihenweise reizt, ihn abzulichten.

Die Ausstellung „Meisterfo tografen sehen Alberto Giacometti“, die das nach wie vor vertreibungsbedrohte Forum Böttcherstraße gerade zeigt, liest sich wie ein privates Foto-Album, zu dem die Creme der Fotografenzunft ihr Können beigesteuert hat. Fotografen wie Brassai, Henri Cartier-Bresson, Robert Doisneau, Gordon Parks, Man Ray, sie alle haben mit Giacometti gearbeitet, haben Fotographien geschaffen, in denen sich die kraftvolle Ausstrahlung Giacomettis mit ihrem persönlichen Stil kreuzt und multipliziert. In Deutschland kommt diese Ausstellung, die die umstrittene Schweizer Kulturstiftung „Pro Helvetia“ gefördert hat, und die in einer etwas veränderten Form erstmals zum zwanzigsten Todestag Giacomettis 1986 im Kunstmuseum Chur zu sehen war, nur nach Bremen.

Giacometti formatfüllend in hundert verschiedenen Perspektiven, Giacometti in seinem Atelier, bei der Arbeit, vertieft in den Strich seines Pinsels, konzentriert auf den Druck seines Daumennagels, mit dem er eine Figur modelliert, ihr die unruhige Oberfläche verleiht. Giacomettis Gesicht bei der Arbeit, die An

spannung, die Aufmerksamkeit, die Konzentration. Giacometti hinter seinen Werkzeugen, zuhause in der Arbeit, wie ein moderner Alchimist. Giacometti in der Verkleidung seiner Skulpturen, ein Zombie, unendlich lang und dürr und deformiert. Giacometti als Ahnung hinter einer Wand, von der man weiß, daß sich dahinter das Atelier verbirgt, als Schriftzug hinter einer Tür.

Eine Ausstellung mit immer demselben Motiv, einem wandlungsfähigen zwar, aber dennoch

dem selben. Eine Ausstellung, die dabei so viele Facetten zeigt, und die so fern bleibt der öden Wiederholung. Eine Ausstellung, die alle Register zieht, die die gegenständliche Foto-Kunst entwickelt hat, die in der Starre des fotographischen Bildes die Bewegung freiläßt, die die Figuren und Gemälde Giacomettis immer antreibt. Eine Ausstellung, in der ein bißchen der Versuch gelingt, die Inspiration des Fotographen durch die Inspiration des Modells zu verstärken.

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