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Wahlendergebnis in Ungarn fehlt noch

■ Die Siegerin, die national-konservative UDF, neigt zu Koalition mit Kleinlandwirtepartei und Christlicher Volkspartei / Regierungsverhandlungen erst nach Stichwahlen am 8. April

Budapest (dpa/ap) - Die politischen Parteien Ungarns bereiteten sich am Dienstag für eine zweite hektische Wahlkampfrunde und für schwierige Koalitionsverhandlungen vor. Obwohl wegen technischer Probleme zwei Tage nach den ersten freien Parlamentswahlen seit 43 Jahren noch immer kein Endergebnis vorlag, war es offensichtlich, daß eine endgültige Entscheidung über den zukünftigen politischen Weg des Landes erst in den Stichwahlen am 8. April fallen wird.

Nach Vorliegen von 88 Prozent der Stimmen stand fest, daß das national-konservative Ungarische Demokratische Forum (UDF) mit fast einem Viertel der abgegebenen Stimmen zahlenmäßig als stärkste Gruppe aus dieser Wahlrunde hervorgegangen ist, gefolgt von dem liberalen Bund Freier Demokraten (BDF), der 21 Prozent auf sich vereinen konnte. Die Zahl der Mandate, die nach dem Listenwahlrecht auf diese beiden Parteien entfallen, steht jedoch noch nicht fest.

Offensichtlich ist der Bruch Ungarns mit der kommunistischen Vergangenheit. Die orthodox-kommunistische Ungarische Sozialistische Arbeiterpartei (USAP) konnte die Vier-Prozent-Sperrklausel nicht überspringen, der von ihr abgespaltene Reformerflügel, die jetzt regierende Ungarische Sozialistische Partei (USP), konnte über zehn Prozent für sich verbuchen.

Als Folge des komplizierten Wahlrechts, das ein Persönlichkeits- mit einem Listenwahlrecht verbindet, wurden bisher nur fünf Direktmandate vergeben. Von den über zwei Dutzend Parteien konnten nur sechs die Vier-Prozent-Klausel überwinden.

Wegen technischer Schwierigkeiten, Computerausfällen und unzureichender Telefonverbindungen lagen auch zwei Tage nach der Wahl keine offiziellen Ergebnisse vor. Deshalb stand auch die Verteilung der 152 Parlamentssitze, die nach dem Listenwahlrecht vergeben werden, und der 58 Reststimmenmandate nicht fest. Insgesamt werden 386 Abgeordnete ins neue Parlament entsandt werden.

Hinter verschlossenen Türen sind inoffiziell die ersten Beratungen über die Bildung der zukünftigen Regierung angelaufen, die Ungarn aus der schwierigen wirtschaftlichen Lage in Richtung auf eine freie Marktwirtschaft führen soll. Es scheint festzustehen, daß die bisher regierenden Sozialisten in die Opposition gehen werden. Das Ungarische Demokratische Forum neigt zu einer Koalition mit den beiden anderen konservativen Gruppierungen, der Kleinlandwirtepartei und der Christlichen Volkspartei. Eine Koalition mit dem Bund Freier Demokraten wird von der Partei bisher ausgeschlossen. Dagegen tritt der Bund Freier Demokraten für eine Zusammenarbeit mit der Allianz Junger Demokraten ein.

Offiziell werden die Regierungsverhandlungen jedoch erst nach den Stichwahlen - voraussichtlich am 8. April anlaufen, da dann weit mehr als die Hälfte der Parlamentssitze vergeben wird. Inzwischen haben sowohl Demokratisches Forum als auch der Bund Freier Demokraten mit strafrechtlichen Aktionen gegen die Wahlbehörde im Innenministerium gedroht, weil dieses durch das Fehlen notwendiger Wahlprotokolle die nach dem Gesetz vorgeschriebene 24-Stunden Frist zur Veröffentlichung des Endergebnisses unmöglich gemacht hatte.

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