: Nachhilfe für die italienische Polizei
■ Im Vorfeld der Fußball-WM wird die Sicherheit zu einer Frage der Taktik / Irische Fans gegen Namenslisten
Sport fördert internationale Verständigung. Seit dem Wochenende halten sich 550 italienische Polizisten in England auf, um Nachhilfeunterricht im Umgang mit „Hooligans“ zu nehmen. Die Italiener wollen aus erster Hand erfahren, was im Sommer bei der Fußball-Weltmeisterschaft auf sie zukommt.
Mike Partington von der Londoner Metropolitan Police sagte am Samstag: „Das wird sehr nützlich für sie sein. Die Taktik der Polizei in England unterscheidet sich sehr stark von Einsätzen auf dem Kontinent. Wir planen unsere Operationen viel genauer, sammeln Informationen und setzen sie auch ein. Die Italiener werden erfahren, daß das bei den englischen Hooligans notwendig ist.“
Sechs italienische Ordnungshüter besuchten am Samstag das Erstligaspiel zwischen Crystal Palace und Tabellenführer Aston Villa im Süd-Londoner Selhurst Park. 250 Polizisten waren im Stadion eingesetzt. Das Ziel der Beamten wäre es, eine Begegnung der gegnerischen Fans zu verhindern, vernahmen die Italiener staunend. Außerdem sammele man für zukünftige Einsätze detaillierte Informationen über Rädelsführer.
Dazu verfügt die britische Polizei über hochempfindliche Kameras, die besonders berüchtigte Fan-Blocks während des gesamten Spiels im Auge behalten. Ärger wurde diesmal von den Villa-Fans erwartet. „Es sind immer die auswärtigen Anhänger, die anfangen“, sagte ein Polizist. Doch wie von den Hooligans nicht anders zu erwarten, machten sie dem Anschauungsunterricht einen Strich durch die Rechnung: Sie blieben friedlich, obwohl Aston Villa 1:0 verlor.
Abseits der italienischen Augen im Wembley-Stadion, das inzwischen nur noch über Sitzplätze verfügt, tobte dagegen die Schlacht. Beim Endspiel um den „Zenith Datasystem-Pokal“ zwischen Chelsea und Middlesborough wurden über hundert Personen verhaftet.
Aus einem neuen Bericht der „Hooligan-Sondereinheit“ Scotland Yards geht hervor, daß englische und holländische Fans bereits seit zwei Jahren einen Wettbewerb der besonderen Art planen. Sie hätten verabredet, bei der Weltmeisterschaft in Italien im ehrlichen Kampf zu ermitteln, welchem Land die Krone für die schlimmsten Hooligans gebührt. Nachdem das Los im Dezember beide Teams derselben Gruppe zugeteilt hat, seien die Planungen in eine konkrete Phase getreten.
Inzwischen wurde der britische Sportminister Colin Moynihan vom europäischen Fußball-Verband (UEFA) zu seinem Kongreß am 19. April nach Malta eingeladen. Dort sollen die ersten Gespräche über die Wiederzulassung der englischen Klubs in die europäischen Vereinswettbewerbe geführt werden, nach fünf Jahren Sperre. Drei Vereine könnten zugelassen werden.
Der Meister, vorausgesetzt, daß es nicht der FC Liverpool ist, denn der Rekordmeister wird nach Ablauf der allgemeinen Sperre für drei weitere Jahre aus dem internationalen Verkehr ausgeschlossen. Je ein Klub wird am Pokal der Pokalsieger und am UEFA-Pokal teilnehmen. Voraussetzung ist die Empfehlung der britischen Regierung. Diese wird laut Minister Moynihan nur dann erteilt, wenn sich bei der Weltmeisterschafts-Endrunde in Italien keine von englischen Fans angezettelten Krawalle ereigenen.
Irische Fußball-Fans haben mit Empörung auf die Einwilligung der Polizei reagiert, den italienischen Behörden Listen mit den Namen und eventuellen Vorstrafen von irischen Fußball-Anhängern, die zur Weltmeisterschaft nach Italien reisen wollen, auszuhändigen. Die Iren sind - im Gegensatz zu Engländern, Schotten oder Niederländern bislang nie als Fußball-Rowdies bei ausländischen Begegnungen aufgefallen.
Eine Gruppe irischer Polizeibeamte unter Leitung von Polizeichef Barney Curran ist nach Italien gereist, um im Vorfeld der Fußball-WM im Juni die Sicherheitsvorkehrungen zu überprüfen. Das Los hat Irland in der Gruppe F mit England, Ägypten und den Niederlanden zusammengeführt. Angesichts von etwa 10.000 irischen Fußball-Fans, die zu den WM-Spielen erwartet werden, befürchten die Behörden in Irland Zusammenstöße mit englischen Hooligans.
Ralf Sotscheck (London)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen