: Es gab keine Wahl bei Simbabwes Wahl
Das Mehrheitswahlrecht in dem afrikanischen Staat bescherte der bisherigen Regierung Robert Mugabes einen satten 80prozentigen Wahlsieg / Die Bevölkerung ist über fehlende Landreform und Arbeitslosigkeit frustriert / Geringe Wahlbeteiligung Indikator ■ Aus Harare Christoph Fleischer
„Sie werden erlauben, daß auch ich mir auf unseren sicheren Wahlerfolg einen Schluck genehmigen werde“, feixte Simbabwes Präsident Robert Mugabe auf einer seiner letzten Wahlkundgebungen vergangene Woche in der Hauptstadt Harare. Seit Montag kann er sich literweise Chibuku, das traditionelle Hirsebier, genehmigen. Denn haushoch gewann er die Präsidentschaftswahlen mit über 80 Prozent vor seinem Herausforderer und einzigen Mitbewerber Edgar Tekere, der weniger als 20 Prozent Stimmen auf sich vereinigen konnte. Bei den gleichzeitig stattfindenden dritten Parlamentswahlen nach der Unabhängigkeit 1980 konnte Mugabes ZANU(PF) („Afrikanische Nationalunion Simbabwe/Patriotische Front“) bis auf drei alle 120 Sitze in der Nationalversammlung auf sich vereinigen.
Das Mehrheitswahlrecht bescherte den etwa 4,8 Millionen wahlberechtigten SimbabwerInnen eine Lektion: Zwar konnte die größte der vier Oppositionsparteien, die „Zimbabwe Unity Movement“ (ZUM), die erst vor knapp einem Jahr gegründet wurde, in manchen Wahlkreisen der Regierungspartei erdrutschartige Stimmenverluste von bis zu 40 Prozent bescheren. Trotzdem erreichten doch nur zwei ZUM-Kandidaten die erforderliche einfache Mehrheit der Stimmen eines Wahlbezirks. Ein Mandat konnte die im politischen Leben völlig unbedeutende ZANU (Ndonga) erreichen.
„Die Gewinner standen doch schon vorher fest, nämlich die derzeitige Regierung!“ resigniert Abraham Matize, Lehrer einer Sekundarschule in Chindunduma im Norden Simbabwes. „Seitdem die langjährige Oppositionspartei ZAPU(PF) unter Joshua Nkomo es vor zwei Jahren vorgezogen hat, sich mit ZANU(PF) zu vereinigen, haben wir kleinen Leute nichts mehr zu melden. Schon seit Jahren verspricht man uns mehr Ackerland. Aber die Hälfte Simbabwes gehört immer noch den weißen Farmern!“ Tatsächlich ist eine Landreform, für die über 30.000 Simbabwer im Befreiungskampf gegen das Siedlerregime von Ian Smith ihr Leben ließen, bisher nur unzureichend umgesetzt worden; bilden doch die 4.500 Großfarmer immer noch das Rückgrat der devisenträchtigen Agrarausfuhren Simbabwes. Und die Gewerkschaften sind seit einem Gesetz von 1985 zu reinen Bütteln des Arbeitsministers degradiert: Sie dürfen weder von sich aus streiken noch eigenständig Löhne und Gehälter mit den Arbeitgebern aushandeln.
Von vielen SimbabwerInnen wird zwar immer wieder honoriert, daß es Mugabe Ende 1987 gelang, die in zwei unterschiedliche politische Volksgruppen der Shona und der im Südwesten des Landes lebenden Ndebele zu einer Partei, ZANU(PF), zu vereinigen. Langjährige blutige Auseinandersetzungen wurden damit endlich beendet. Doch fast alle Menschen sind unzufrieden mit ihrer ökonomischen Situation. Die Einkommen normal verdienender Simbabwer können mit der ständigen Abwertung des simbabwischen Dollars und der Inflation nicht schritthalten, und die Armut wächst.
Ähnlich wie andere afrikanische Länder klagt das rohstoffexportierende Land, das mit neuneinhalb Millionen Einwohnern etwa zweieinhalbmal so groß wie die BRD ist, über fallende Weltmarktpreise und einen chronischen Devisenbedarf. Von den rund 250.000 Schulabgängern allein in diesem Jahr finden weniger als zehn Prozent einen Ausbildungs- oder Arbeitsplatz. Viele SimbabwerInnen sind enttäuscht, was die mit knapp 50 geringe Wahlbeteiligung erklärt.
Der Wahlkampf war erst Anfang März in seine heiße Phase eingetreten. Die Opposition war lange Zeit in den staatlich kontrollierten Medien wie Tageszeitung, Radio und Fernsehen nahezu totgeschwiegen worden. Als die Informationsmaschinerie der Regierung dann über die politischen Gegner berichtete, geschah dies immer mit negativer Tendenz. Werbezeit in den elektronischen Medien gestand man ihnen schließlich aber doch zu: Die Regierung wollte sich nicht dem Verdacht aussetzen, der Wahlkampf sei nicht frei und fair geführt worden.
Politische Beobachter nehmen schon seit Mitte 1989 wahr, daß Robert Mugabe sehr an Zuspruch in der Bevölkerung eingebüßt hat. Vor allem die Entscheidung, im Oktober vergangenen Jahres aus einem eher unbedeutenden Anlaß die einzige Universität des Landes für sechs Monate zu schließen, schadete seinem Ansehen. Studenten und Professoren fühlten sich brüskiert und mundtot gemacht, weil sie Korruption, Begünstigung und offene Bereicherung von Politikern angeprangert hatten. Zu offensichtlich war, daß die Regierung Kritik aus den Reihen der Intellektuellen vor den Wahlen von vornherein unterbinden wollte. Studenten wurden verhaftet, Dozenten zeitweilig eingesperrt. Als der Vorsitzende des Gewerkschaftsbundes „Morgan Tsangirai“ diese Reaktion als übertrieben darstellte, wurde er prompt mehrere Wochen ohne Anklage verhaftet. Niemand wagte, sich öffentlich für ihn einzusetzen. Erst internationaler Druck veranlaßte die Regierung, Zwangirai freizulassen.
ZUM als größte Oppositionspartei hatte allerdings außer ein paar diffusen Aussagen zur freien Marktwirtschaft wenig programmatisches anzubieten. Vehement kritisierte Tekere im Wahlkampf Mugabes Vorhaben, nach einem Wahlsieg von ZANU(PF) aus Simbabwe endlich einen sozialistischen Einparteienstaat mit marxistisch-leninistischer Ausrichtung zu machen. Das prozentual zum Teil blendende Abschneiden der Opposition besonders in Städten werten Kenner als klares Mandat eines bedeutenden Teils der Bevölkerung gegen Mugabes Absicht. Nachrichten über die massiven Umgestaltungen im ehemaligen Ostblock werden in der regierungshörigen simbabwischen Tagespresse und den elektronischen Medien unterdrückt. Und selbst mit Aussagen politischer Freunde wie des ehemaligen tanzanischen Präsidenten Julius Nyerere wird sich offiziell nicht auseinandergesetzt. Dessen Überlegungen, in Tanzania nach über 13 Jahren Einparteienherrschaft wieder andere Bündnisse zuzulassen, fällt so unter den Tisch.
Am schwerwiegendsten werten Kritiker, daß der Ausnahmezustand im Januar 1990 ein weiteres Mal verlängert wurde. Von den weißen Rassisten unter dem damaligen Premier Ian Smith wurde er dazu erdacht, die schwarzen „Terroristen“ unter Mugabe und Nkomo zu bekämpfen, die heute an der Regierung sind. Mit leichten Änderungen ist er heute noch in Kraft, nur daß er jetzt häufig gegen politisch unliebsame schwarze Kritiker angewandt wird. So feiert Simbabwe am 18.April nicht nur die zehnjährige Unabhängigkeit von Großbritannien, sondern auch 25 Jahre Notstandsgesetzgebung. Darüber konnte beim Urnengang nicht abgestimmt werden.
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