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„Wir sind Menschen und keine Tiere“

In dem Manchester-Knast Strangeway revoltierten über 1.000 Häftlinge / Gerüchte über 20 Tote / Gebäude in Brand gesetzt / Proteste entstanden unter unmenschlichen Haftbedingungen / Warnungen der Gefängniswärter wurden von der Regierung ignoriert  ■  Aus London Ralf Sotscheck

Mindestens drei Gefangene sind nach inoffiziellen Angaben am Sonntag bei der Knast-Revolte im Strangeways-Gefängnis von Manchester getötet worden. Verschiedene Gefangene, die gestern in andere Gefängnisse verlegt wurden, sprachen sogar von 20 Sexualstraftätern, die von Mitgefangenen ermordet worden seien. Das britische Innenministerium wies diese Behauptung als Spekulation zurück. Bei Redaktionsschluß waren noch fünf der zehn Gefängnisblocks unter Kontrolle von 119 Gefangenen.

Die Revolte begann am Sonntag vormittag während der Messe, an der 300 Inhaftierte teilnahmen. Die Gefangenen überwältigten fünf Wärter und brachen über das Dach in das Hauptgebäude ein. Dort schlossen sich weitere 700 Insassen der Revolte an. Sie bewaffneten sich mit Werkzeugen aus den Gefängniswerkstätten und trieben die 110 Wärter, die am Sonntag Dienst hatten, aus den Blocks. Im Verlauf der Revolte wurde das Dach zerstört. Die Kapelle, die Turnhalle und zahlreiche Zellen wurden angezündet und brannten vollständig aus. Im Laufe des Sonntags gaben jedoch immer mehr Gefangene auf. Gestern früh um fünf Uhr wurden 1.200 Häftlinge in andere Knäste in Großbritannien verlegt. Hunderte von Wärtern und Polizisten in Kampfausrüstung gelang es gestern vormittag, die Revoltierenden aus fünf Blocks zu vertreiben.

Die Gefangenen fordern eine deutliche Verbesserung der Haftbedingungen. Ein Häftling spielte auf die Londoner Straßenschlacht nach der Anti-Kopfsteuer-Demo am Samstag an und rief: „Wir zahlen auch keine Kopfsteuer.“ Strangeways gehört zu den überfülltesten Gefängnissen in Europa. Der viktorianische Bau ist hoffnungslos überbelegt: 1.600 Menschen sind in dem Gebäude untergebracht, das nur für 900 gebaut wurde. Dagegen wurde die Zahl der Wärter auf 350 reduziert. Deshalb sind die meisten Gefangenen 23 Stunden eingeschlossen. Besuche, die den Gefangenen alle 14 Tage zustehen, werden ihnen nur einmal pro Monat gewährt. Die Gefangenen haben den Labour-Abgeordneten Robert Litherland um Vermittlung gebeten.

John Bartell von der Gefängniswärter-Vereinigng warf der britischen Regierung vor, daß sie seit drei Jahren die Warnungen der Wärter von Strangeways ignoriere: „Wir haben die Behörden seit 1987 gewarnt.“ Der Staatssekretär im Innenministerium, David Mellor, widersprach Bartell jedoch: „Erst in der vergangenen Woche hat die Gefängis -Aufsichtsbehörde die Situation in Strangeways positiv dargestellt. In den letzten zwei Jahren hat sich viel verbessert.“ Er forderte, die Revolte müsse so schnell wie möglich niedergeschlagen werden.

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