„Wählerbetrug“

■ Bundeskanzler Kohl schürte Hoffnungen

Berlin (taz) - Von einem Wahlbetrug, wie ihn die DDR-Bürger von ihrem SED-Regime gewohnt waren, kann zwar nicht die Rede sein. Doch daß der Bundeskanzler Kohl die DDR-Wähler betrogen hat, steht außer Zweifel. Er hat sie um ihre Hoffnungen betrogen, Hoffnungen, die er selbst im Wahlkampf regelrecht geschürt hatte und denen die CDU ihren fulminanten Wahlsieg in der DDR zu verdanken hat.

Aber hat Kohl nun 1:1 gesagt und versprochen? Ja, er hat. Auf einer Wahlkundgebung in Cottbus versetzte er „die Menge in einen Taumel der Begeisterung“, so meldete die 'Welt‘ am 15.3.90, „mit der Versicherung, die Guthaben der Kleinsparer würden bei einer Währungsunion zum Kurs von 1:1 umgetauscht“. Aber der Teufel steckt bekanntlich im Detail: Wer als Kleinsparer gilt, ließ der Bundeskanzler offen. Auch die Frankfurter Banker sprachen sich nun für das 1:1 aus, allerdings nur für Sparguthaben bis zu 2.000 Mark, für Kleinstsparer also.

Nein, so ganz konkret hat Kohl nichts versprochen, nur allgemein wie etwa am 20.2. auf einer Wahlkundgebung in Erfurt: „Wir müssen die Ängste der Menschen ernst nehmen, zum Beispiel die Sorgen der Älteren um ihre Rente. Wer heute 70 Jahre alt ist, der hat einen großen Teil der Geschichte unseres Vaterlandes in diesem Jahrhundert miterlebt; er hat viel gelitten - hier in der DDR in den vergangenen 40 Jahren auch noch unter dem sozialistischen System. Er verdient unseren Respekt, mehr noch: unsere Liebe und unsere Zuneigung. Wir haben für diese Generation zu sorgen, der wir so viel verdanken - und wir werden dies tun.“ - „Helmut! Helmut!“

thos