: Slowenien vor der „Rückkehr nach Europa“?
Bei den Wahlen am kommenden Sonntag in der jugoslawischen Teilrepublik Slowenien wird die „Vereinigte Demokratische Opposition DEMOS“, die für ein unabhängiges Slowenien als selbständiger Bundesstaat Jugoslawiens eintritt, allgemein als Favorit gehandelt ■ Von Christian Semler
Am kommenden Sonntag finden in der jugoslawischen Teilrepublik Slowenien Wahlen statt, die über das Schicksal der jugoslawischen Föderation mitentscheiden werden. Wenn die Prognosen nicht trügen, wird die bislang regierende reformkommunistische Gruppierung, die vor einem Jahr den Namen „Partei der demokratischen Erneuerung“ angenommen hat, abgelöst werden. Die „Vereinigte demokratische Opposition DEMOS“ wird allgemein als Wahlsieger prognostiziert. DEMOS ist ein Bündnis der slowenischen Bauernpartei, der Sozialdemokraten, der Slowenischen Demokratischen Partei und der Grünen - alles Gruppierungen, die in den letzten beiden Jahren gegründet wurden. Außerhalb dieser Koalition sozialliberaler Prägung kandidieren die konservative christlich-demokratische Partei und die Liberalen, die aus dem aufgelösten Sozialistischen Jugendverband hervorgegangen sind und radikaldemokratisch-libertäre Ideen vertreten.
Im Gegensatz zu Kroatien, wo bei den Wahlen im Mai das Mehrheitswahlrecht praktiziert werden wird, hat man sich für die Parlamentswahl in Slowenien auf das Verhältniswahlrecht geeinigt. Hierdurch erhalten auch regionale politische Gruppierungen und Vertreter von Minderheiten eine Chance. Neben dem Parlament werden auch die Kammern der betrieblichen und kommunalen Selbstverwaltungen gewählt. Völlig offen ist der Ausgang der gleichzeitig stattfindenden Präsidentschaftswahlen. Hier stehen sich Milan Kucan, Reformkommunist und prominenter Verteidiger demokratischer Rechte der Slowenen in der Föderation, und der Sozialdemokrat Joze Pucnik gegenüber.
Den vielfältigen Initiativen und Basisbewegungen der letzten Jahre, aber auch der Politik der Reformkommunisten ist es zu danken, daß in Slowenien immer noch die demokratischen Elemente gegenüber den nationalistischen überwiegen. Um sich vor dem serbischen Großmacht -Chauvinismus zu schützen, hat das slowenische Parlament in den letzten Monaten der slowenischen Verfassung und Gesetzgebung den Vorrang gegenüber der gesamtstaatlichen Jugoslawiens erklärt. Das Parlament hat auch die ökonomische Souveränität Sloweniens proklamiert. Damit hat die Bundesregierung die Möglichkeit verloren, dem wirtschaftlich prosperienden Slowenien einseitig Zahlungsverpflichtungen aufzuerlegen. Das ursprünglich „bundestreue“ Slowenien mußte im letzten Jahrzehnt erleben, daß seine Zahlungen in den unterentwickelten Süden versandeten. Nach einem Wahlsieg der DEMOS würde sich Slowenien für unabhängig erklären und die Umwandlung der jugoslawischen Föderation in einen Bund selbständiger Staaten fordern. Das Projekt einer solchen Konföderation hätte allerdings nur eine Chance, wenn auch in den anderen Republiken die realsozialistischen Machtstrukturen aufgelöst würden. Auch im slowenischen Wahlkampf war die Idee einer „Rückkehr nach Europa“ sehr populär. Darunter wird die stärkere politische und ökonomische Integration in den „Alpen-Adria„-Raum verstanden, zu dem Teile Österreichs, die westlichen Komitate Ungarns, Jülisch-Venetien und Friaul gehören. Dieser nationenübergreifende europäische Regionalismus steht aber nach Meinung demokratischer Basisaktivisten in Slowenien in Gefahr, auf die armen Verwandten in den südlichen Republiken herabzusehen und in Wohlstandschauvinismus abzusacken.
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