: Athen: Hauchdünne rechte Mehrheit
■ Instabile Verhältnisse auch nach der dritten Wahl in einem Jahr
Berlin (taz) - Die konservative „Nea Demokratia“ hat bei den griechischen Parlamentswahlen am Sonntag erneut die absolute Mehrheit verfehlt. Mit 46,9 Prozent der Stimmen erreichte sie gerade die Hälfte der 300 zu vergebenden Mandate. Dennoch kann Parteichef Mitsotakis eine Regierung bilden. Mit Hilfe der rechten Splittergruppe „Diana“, die es auf ein Mandat brachte und ihre Mitarbeit am Montag zusagte, kann der 71jährige eine hauchdünne Mehrheit zusammenbringen. Bis zum morgigen Mittwoch will er die Zusammensetzung seiner Regierung bekanntgeben.
Die „Nea Demokratia“ konnte bei den dritten Parlamentswahlen innerhalb von zehn Monaten zwei Mandate hinzugewinnen. Verlierer ist die skandalgeschüttelte Panhellenische Sozialistische Partei, Pasok, des ehemaligen Ministerpräsidenten Papandreou, die 2,2 Prozentpunkte verlor und in Zukunft mit 123 Abgeordneten im Parlament vertreten sein wird. Die „Allianz der Linken und des Fortschritts“ kam auf 10,2 Prozent und erhält 19 Mandate (vorher 21). Zwei Sitze gehen an Kandidaten der moslemischen Minderheit, die Grünen erhalten ein Mandat.
Mit dem Wahlergebnis besteht nach zehn chaotischen Monaten erstmals die Möglichkeit zur Bildung einer handlungsfähigen Regierung in Athen. Bei den vorangegangenen Wahlen im Juni '89 und November '90 war es keiner Partei gelungen, eine Mehrheit zu erlangen. Nach einer Übergangsregierung aus Konservativen und Linken, die sich eine „Katharsis“ der griechischen Politik auf ihre Fahnen geschrieben hatte, kam es deshalb im vergangenen November zu einer Allparteienkoalition, die wegen unterschiedlicher politischer Vorstellungen aber kaum arbeitsfähig war. Ein drohender Staatsbankrott Griechenlands rückte damit immer näher. Nach einem Leistungsbilanzdefizit von 2,6 Milliarden Dollar im ganzen Jahr 1989 summierte sich der Fehlbetrag allein in den ersten zwei Monaten dieses Jahres auf 1,15 Milliarden Dollar.
Erste Aufgabe der konservativen Regierung wird eine Sanierung der völlig zerrütteten Staatsfinanzen sein. Das aber ist kaum ohne Entlassungen, Steuerhöhungen und ähnlich drastische Maßnahmen möglich.
Ob eine Regierung mit nur einer einzigen Stimme Mehrheit eine solche Politik unbeschadet übersteht, bleibt unsicher. Von den herbeigesehnten stabilen politischen Verhältnissen ist Griechenland mit Sicherheit weiter entfernt, als es die jubelnden Anhänger von Mitsotakis in der Wahlnacht glaubten.
Klaus Hillenbrand
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