: Nicht, daß Omas Reps bekehren sollen
■ Heute Premiere des Jugendclubstücks „A Bloody English Garden“ im Concordia
„Wenn Du es liest, ist es ein Oberkitsch.“ Carsten Werner, 23 Jahre jung, seit fünf Jahren beim Jugendclub des Bremer Theaters als Spieler oder Regiekucker dabei, hat das Stück des Engländers Nick Fischer vor ein paar Jahren in Dortmund gesehen. Die Geschichte vom „Bloody“, dem blutigen oder verfluchten, „English Garden“, bei dem Mike, jung und arbeitslos wie Jimbo und Killer, irgendwo ein frisch gepflanztes Bäumchen abknickt und verknackt wird, der 70jährigen Maisy den Garten in Ordnung zu bringen. „Indem sie nicht darüber redet, ob es gut oder schlecht ist, einen Baum abzuknicken, sondern von sich erzählt, von ihrer Geschichte, wird die Clique aufgebrochen; dadurch, daß Mike plötzlich was eigenes hat.“ Das soll jetzt nicht so auf die Bühne
kommen, daß es jemanden bekehrt, sondern „einfach als Geschichte, die passiert. Nicht so, daß Omas Reps bekehren sollen.“ Und auch nicht so, daß da die typischen Punks und Skins über die Bühne paradieren, sondern normale Jungs mit einer normalen Wut über ein gesellschaftliches Niemandsland im England der 80er und per Rückblende auch der 30er Jahre.
Interessiert hatte den Jungregisseur verschiedenes an dem Stück. Zum Beispiel die Sache mit der alten Maisy. Als er das Stück in Dortmund sah, mit einer 25jährigen in der Rolle der 70jährigen -„feige!“ -, machte er gerade im Zivildienst die Erfahrung, daß die Alten wieder Menschen werden und harte Sachen erzählen, wenn ihnen jemand zuhört. Er wollte das Stück mit einer
richtigen alten Frau machen.
Mit Ingeborg Helms, die ist zwar mit 62 noch nicht so richtig alt, aber, wenn man sie nach einer verpatzten Probe mit den Jungs rumkichern hört, die Richtige. Sie hat vor 41 Jahren Schauspielexamen gemacht, dann ein paar Jahr im Concordia, wo sie jetzt wieder als Maisy auf der Bühne steht, gespielt. Künstlertheater hieß das nach dem Krieg. Dann „fix geheiratet, wie das damals so passierte,“ Kinder, Sprecherin beim Rundfunk, Fotomodell bei Borgward, mit Quizveranstaltungen getingelt, zuletzt Boulevardstücke mit dem Uniontheater. Zwei andere schreckten vor der Zusammenarbeit mit so einem jung schen Regisseur zurück, sie nicht.
Auch nicht vor dem Probenraum, in dem sie den Winter durch mit Andre Erkau (Mike),
Ercan Altun (Jimbo) und Lutz Gajewski (Killer) das Stück auf den Weg brachte, „unter härtesten Bedingungen“ grinst Ercan. Ein staubiges, eisiges Verließ, beheizt mit Heißlüfter. Maisy-Ingeborg: „Wir haben uns eben warm gelacht.“ Die Zusammenarbeit zwischen Großmutter und Enkel-Generation, das war bei der Probe zu sehen, funktioniert. Da sind etliche laienttheatrale Übertreibungen, aber dazwischen immer wieder kurze Moment, wo es funkt. Die Unverwüstlichkeit dieses jung -alten Theaterclubs, der erstmal nach Geld nicht fragenden Spielwut, hat auch die Technik des Schauspielhauses zur Unterstützung hingerissen, ohne deren Profibelichter und Inspizientin wäre es nicht gegangen. Und für Mai steht das Stück richtig regulär im Spielplan.
Uta Stolle
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