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„Veröffentlichung falsch“

■ Antisemitische Töne im Buch des Kongreßmoderators Rainer Holbe / Der Autor distanziert sich jetzt davon

Am Anfang stand das Chaos, zumindest für die Veranstalter: Einige der geladenen Gäste zum Zeitgeist-Kongreß sagten kurzfristig ab. Die Vermutung lag nahe, daß das mit dem umstrittenen Buch des langjährigen Etora-Freundes Rainer Holbe zusammenhing (die taz berichtete). Der hatte in dem Druckwerk Warum passiert mir das? zwei Geistwesen über frühere Inkarnationen prominenter Personen, hauptsächlich aus dem Show-Geschäft, erzählen lassen. Unter anderem wurde der Krebstod des (jüdischen) Fernsehunterhalters Hans Rosenthal in Zusammenhang mit dem Karma des jüdischen Volkes gebracht. Wörtlich heißt es: „Die Juden stoppen den Prozeß der Menschheitsentwicklung. Jesus sollte noch lange lehren und heilen. Sie gaben ihn dem Henker (...) Mit dieser Tat schädigten sie die ganze Menschheit.“ Die Geistwesen selbst ließ Holbe durch ein Berliner Ehepaar sprechen. „Ob das eine Projektion unbewußter Vorurteile der beiden oder tatsächlich Geister waren, kann ich nicht beurteilen“, sagt Holbe der taz. „Aber eine unglaubliche Geschichte ist es doch.“ Außerdem verstehe er die heftigen Reaktionen nicht. Nicht er habe die Aussage gemacht, sondern die Geistwesen. Seine Meinung sei das keineswegs, aber er habe das interessant gefunden. Daß die inkriminierte Aussage eine politische und moralische Unsensibilität sei, sei ihm allerdings klar geworden. „Ich habe es eingesehen, daß es falsch war, derartiges zu veröffentlichen. Nach dieser Erfahrung habe ich mich auch davon distanziert.“

Als Grund für die Absage einiger Referenten galt Holbes Buch zumindest vordergründig nicht. Der frühere Innenminister Gerhard Baum beispielsweise entschuldigte sich laut Veranstalter mit einer wichtigen Politmission mit Genscher in der DDR. Konstantin Wecker zog die lukrativere Verlängerung seiner Spanien-Tournee vor. Und Alfred Mechtersheimer schrieb an Holbe, daß er sich wieder um ein Bundestagsmandat bemühe und an den Ostermärschen teilnehmen wolle. In bezug auf das Holbe-Buch schrieb er: „Es ist wohl unser deutsches Schicksal, daß bei allen Fragen, die auch nur entfernt mit Israel zu tun haben, das Augenmaß verlorengeht und Gerechtigkeit nicht mehr walten kann. (...) Angesichts dieser bösen Kampagne bedaure ich besonders, daß ich nicht nach Lanzarote kommen kann.“ Die Chance, dennoch mit Holbe zusammenzutreffen, wird er noch einmal im Herbst haben. Dann wird es einen zweiten Zeitgeist-Kongreß geben. Allerdings im bundesdeutschen Bad Homburg. Und da ist es nicht so schön wie auf Lanzarote.

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