: Simbabwe - zehn Jahre danach
■ Am 18. April 1980 mußte die britische Kolonialmacht das ehemalige Süd-Rhodesien nach einem langen, blutigen Befreiungskampf in die Unabhängigkeit entlassen / Die regierende Einheitspartei Zanu unter Präsident Mugabe hat durch ihre „Versöhnungspolitik“ versucht, dem jungen afrikanischen Staat eine nationale Identität zu geben
Aus Harare Leonard Maveneka
Hätte man Präsident Mugabe 1980 gefragt, wie Simbabwe 1990 aussehen werde, er hätte sein Land gewiß nicht so beschrieben, wie wir es heute kennen. Er wäre wohl davon ausgegangen, daß die Regierung bis dahin die Wirtschaft im Griff haben würde, daß sie der Mehrheit der Bevölkerung Wohnung und Arbeit und den Kämpfern aus dem Befreiungskrieg den gerechten Lohn für ihren Einsatz bieten könnte: Land, Arbeit, ein Dach über dem Kopf oder doch zumindest die Befriedigung, die Ziele der Partei verwirklicht zu sehen.
Zweifellos hätte Mugabe seine Zukunftsvisionen ausführlich erläutert: Simbabwe als eine egalitäre Gesellschaft, die das kapitalistische Bereicherungsdenken hinter sich gelassen hat und auf die Stärke des Marxismus-Leninismus vertraut - wie sollte er auch ahnen, daß sich 1990 der Marxismus weltweit auf dem Rückzug befinden würde.
Er hätte das friedliche Zusammenleben der verschiedenen Rassen geschildert, die Gesundheitsversorgung und die Bildungschancen für die junge Generation - von der Opposition wäre vermutlich nicht die Rede gewesen, weil Mugabe wohl gar nicht auf die Idee gekommen wäre, es könne sie nach zehn Jahren noch geben.
Die meisten Menschen in Simbabwe hatten solche Träume. Manche sind heute Wirklichkeit, andere sind zum Alptraum geworden. Inzwischen geht die Mehrzahl der Kinder zur Schule - Simbabwe hat einige Millionen Dollars in das Bildungswesen gesteckt. Man bemüht sich jetzt, das Niveau zu verbessern und vor allem die Ausbildung in den technischen Fächern an die wirtschaftlichen Erfordernisse anzupassen. Auch auf die Erfolge im Gesundheitswesen darf die Regierung stolz sein. Früher gab es Gesundheitsdienst nur in den Städten und in einigen Missionskrankenhäusern. Heute ist die medizinische Versorgung durch ein landesweites Netz von Kliniken gesichert.
Durch ihre „Politik der Versöhnung“ hat sich die Regierungspartei Zanu/PF große Achtung erworben. Normalerweise gehen die Sieger mit ihren Kriegsgegnern hart ins Gericht: man übt Vergeltung für die erlittene Unbill. Doch in Simbabwe hat es solche Verfahren nicht gegeben. Niemand wurde für seine Taten im Krieg zur Rechenschaft gezogen. Selbst der frühere rhodesische Premier Ian Smith blieb unbehelligt. Er lebt heute als Farmer in Simbabwe. Diese Haltung hat ein neues Klima des Vertrauens geschaffen und eine Art von Nationalgefühl entstehen lassen.
Die „Politik der Versöhnung“ wurde auch von der weißen Bevölkerung Südafrikas gut aufgenommen - als ein Beispiel dafür, daß die Machtübernahme durch die schwarze Mehrheit nicht den Weltuntergang bedeutet. Als Namibia im März unabhängig wurde, folgte die Swapo dem Beispiel Simbabwes und proklamierte ebenfalls eine „Politik der Versöhnung“.
Die regierende Zanu-Partei hat in Simbabwe nur wenige Staatsbetriebe eingerichtet und auch auf die Verstaatlichung ausländischer Firmen verzichtet. Sie hat allerdings Mehrheitsanteile an einigen, vor allem an südafrikanischen, Unternehmen erworben. Natürlich ist der Zanu/PF an staatlicher Wirtschaftslenkung gelegen, aber sie verfügt nicht über die Finanzmittel, um neue Industriezweige zu schaffen oder sich in die vorhandenen Unternehmen einzukaufen. Vielleicht ist das auch besser so: bislang fehlt es in Simbabwe noch an fähigen und erfahrenen Managern aus der schwarzen Bevölkerung, und außerdem gibt es weltweit genug Beispiele dafür, wie kläglich die Programme zur Verstaatlichung der Wirtschaft scheitern können.
Politisch ist die Zanu jetzt natürlich in den Mahlstrom geraten, der ihre Verbündeten in Osteuropa erfaßt hat. Aber die Partei versucht, sich freizuschwimmen. Als Simbabwe unabhängig wurde, gab es die beiden konkurrierenden Parteien Zanu/PF und PF/Zapu, die gemeinsam den Befreiungskrieg geführt hatten. An der ersten Regierung war die Zapu noch beteiligt, doch nach einem Jahr wurden ihre Vertreter ausgeschlossen, weil man ihnen Umsturzabsichten unterstellte. Einige Zapu-Politiker kamen ins Gefängnis, und daraufhin gingen viele Mitglieder der Bewegung zurück in den Busch und nahmen den Guerillakampf wieder auf. Dieser „Krieg“ kam die Regierung teuer zu stehen.
In Matebeleland, der Hochburg der Zapu, war an Entwicklungsprojekte nicht mehr zu denken. Erst der Zusammenschluß der beiden Parteien beendete den Konflikt. Mugabe glaubte, er habe damit die Opposition ausgeschaltet und den Weg in den Staat der Einheitspartei geebnet. Doch dann gründete sein früherer Mitstreiter Edgar Tekere die „Bewegung für die Einheit Simbabwes“ (ZUM) und trat gegen den Marxismus, die Korruption und die Einheitspartei an.
Die Zanu reagierte recht unfreundlich auf die neue Oppositionspartei. Bis kurz vor dem Wahltermin Ende März blieb der ZUM der Zugang zu den staatlich kontrollierten Medien verwehrt. Für eine Partei, die kaum zwei Jahre alt ist, waren ihre Erfolge dennoch beachtlich - nicht nur, weil sie zwei Parlamentssitze errungen hat, sondern weil sie ihren Stimmenanteil von 20 Prozent vor allem den Wählern in den Städten verdankt. Dieser Aspekt des Wahlergebnisses hat der Zanu/PF sehr zu denken gegeben. In den gebildeten Schichten hält man offenbar nicht mehr allzu viel vom marxistischen Kurs der Partei, man hat die Mißwirtschaft und die staatliche Einheitspartei satt.
Das Wahlergebnis ist auch ein Ausdruck von Protest gegen die Ausbreitung der Korruption, die inzwischen sogar die Regierung erfaßt hat. Im vergangenen Jahr gab es den sogenannten „Willowvale-Skandal“. Fünf Minister wurden entlassen, weil sie an illegalen Geschäften beteiligt waren: Sie ließen sich mit fabrikneuen Fahrzeugen aus einer Autofabrik in Simbabwe versorgen, die sie zu überhöhten Preisen weiterverkaufen konnten.
Außerdem haben viele Minister die moralischen Gebote mißachtet, die für die Führungsspitze der Partei galten. Als Simbabwe unabhängig wurde, kauften sie Ackerland im großen Stil. Da die Programme zur Neuansiedlung von Bauern ohne Land inzwischen praktisch aufgegeben wurden, wirkt die sozialistische Ideologie der Zanu und ihr Versprechen, den Armen zu helfen, nicht mehr allzu überzeugend.
Arbeitsplätze zu schaffen, ist der Regierung nicht gelungen. Statt dessen hat man sich einige Renommierprojekte geleistet, die nun die Skyline von Harare schmücken: das Sheraton Hotel, die neue Parteizentrale, das „Nationale Sportzentrum“, ein riesiges Stadion. Während der öffentliche Nahverkehr kurz vor dem Zusammenbruch steht, wurde die nationale Fluggesellschaft mit neuen Maschinen ausgestattet. Das war keine kluge Politik.
Die Zanu hat vielleicht zu viele Hoffnungen geweckt, die sie dann nicht erfüllten konnte. Die Menschen in Simbabwe wissen ja, welches Schicksal die Demokratie in anderen Ländern Afrikas erlitten hat, und sie sind mißtrauisch, wenn versucht wird, die wirtschaftliche und politische Macht ausschließlich einer regierenden Partei zu übertragen. Im kommenden Jahrzehnt wird die Erfolgsbilanz der Zanu vielleicht weniger vom Straßenbau oder vom Ausbau des Schulwesens abhängen - man wird die Partei daran messen, wieviel Selbstbestimung sie den Menschen erlaubt.
Maveneka war früher Chefredakteur von 'MOTO‘, einem kritischen Monatsmagazin und arbeitet heute beim 'Southern African Economist‘, einer Wirtschaftszeitschrift in Harare.
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