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Sri Lankas „schlimme Zeiten“ sind nicht vorbei

■ Der Terror der JVP-Volksbefreiungsfront ist „besiegt“ / Nun geraten die Kritiker des Präsidenten ins Visier der Todesschwadronen

Sri Lanka (taz) - „Der Tourismus hat sich mit 250.000 Gästen wieder erholt“, meint Sri Lankas oberster Tourismusmanager auf einer Werbeveranstaltung mit deutschen Reiseunternehmern. Die schlimmen Zeiten seien vorbei, und in der nächsten Saison erwarte man - nun, nachdem wieder Ruhe herrsche - sogar 400.000 Touristen.

„Die schlimmen Zeiten“ - damit ist der Kampf der Volksbefreiungsfront (JVP) gegen die Regierung der United National Party (UNP) gemeint. Nach dem Abschluß eines Friedensabkommens zwischen Indien und Sri Lanka im Juli 1987 hatte die JVP begonnen, die „Vaterlandsverräter“ der UNP zu ermorden. Die im Vertrag vorgesehene Invasion indischer Truppen war jedoch nur ein Vorwand für die JVP. Es war die Rückständigkeit von Sri Lankas Süden, die Benachteiligung der unteren Kasten, aus denen sich ein Großteil der JVP rekrutierte, und die Arbeitslosigkeit der Jugendlichen, die motivierte. Die JVP ermordete Hunderte von Regierungsanhängern und Politikern; durch Streiks legte sie den Inselstaat wochenlang lahm und forderte schließlich die Sicherheitskräfte zum Ungehorsam gegenüber der Regierung auf. Wer sich weigerte, wurde mit der Ermordung von Familienangehörigen bedroht.

Der JVP-Aufstand war der Aufstand der Benachteiligten, die mit einem ideologischen Mischmasch aus marxistischen und rassistischen Versatzstücken und brutaler Gewalt gegen Gegner und Abweichler in den eigenen Reihen vorgingen.

Die „schlimmen Zeiten“ wurden durch die „Anstrengungen der Regierung“ überwunden, so heißt es nun im Wortschatz der Verharmlosung. Gemeint ist damit, daß auf Befehl des Präsidenten Premadasa und unter Aufsicht des jetzigen Plantagen- und damaligen Außenministers Wijeratne - dem Mann fürs Grobe - Todesschwadronen nach lateinamerikanischem Vorbild aufgestellt wurden. Sie bestehen zumeist aus Angehörigen der „Sicherheitskräfte“. Der Verdacht der Regierungsfeindlichkeit genügt ihnen. Ihre Opfer verbrennen sie auf Autoreifen oder werfen sie ins Meer, nachdem diese vorher noch die Namen angeblicher Komplizen genannt haben. Im Kelani-Fluß nördlich von Colombo schwammen zeitweise soviele Leichen, daß vor der Entnahme von Trinkwasser gewarnt wurde.

Die Anzahl der so Ermordeten und Vermißten wird wohl nie genau festzustellen sein. Unter Notstandsgesetzen wurden Leichen ohne Nachforschung über Personalien oder Todesursache einfach begraben. Nicht weniger als 20.000 fielen diesem Vernichtungsfeldzug zum Opfer, so schätzen Landeskenner in Colombo.

Die „Ruhe wurde wiederhergestellt“, als es den „Sicherheitskräften“ zur Jahreswende 89/90 gelang, die gesamte Führungsmannschaft der JVP zu ermorden. „Auf der Flucht erschossen“ wurden nach JVP-Führer Rohana Wijeweera fast das komplette 13köpfige Politbüro. Seitdem finden keine koordinierten Aktionen der JVP mehr statt. Ihre Anhänger sind auf der Flucht. Die JVP ist besiegt, doch die Todesschwadronen bestehen weiter. Sie wollen „den Sumpf trockenlegen“, was soviel heißt wie Kritiker der Regierung ermorden. Denn in der Kritik soll der Ursprung der Militanz liegen.

„Zum Schweigen gebracht“ wurde als prominentestes Opfer vor einem Monat der Journalist und Intellektuelle Richard de Zoysa. Nachts aus seinem Haus entführt, wurde zwei Tage später nurmehr seine Leiche vor der Küste von Moratuwa gefunden. De Zoysa war einer der Kritiker von Präsident Premadasa und gerade dabei, für die Nachrichtenagentur 'ips‘ ein Büro in Europa zu übernehmen. „Es stand zu befürchten, daß de Zoysa eine Medienkampagne gegen Sri Lanka starten wollte“, gab ein hochrangiger Militär kürzlich in einem Vier -Augen-Gespräch zu. Hinter dem Mord steht, so vermuten viele, der Präsident selber oder einer seiner intimen Handlanger.

Tatsächlich ist internationales Interesse an den Menschenrechtsverletzungen in Sri Lanka die mit Abstand größte Furcht der hiesigen Machthaber. Plantagenminister Wujeratne beschimpfte im Zorn amnesty international als „Terrororganisation“. Der BBC-Korrespondent Chris Nuttle wurde wegen eines Berichtes in Polizeigewahrsam genommen, seine Wohnung durchsucht. Dem britischen Botschafter, der mehrfach die Menschenrechtsverletzungen kritisiert hat, versuchte die Regierung Verbindungen mit Rauschgiftschmugglern anzuhängen.

Wenn in Europa mehr über die derzeitige Situation in Sri Lanka bekannt würde, könnten sich eventuell noch andere Regierungen dem Schritt der Niederländer anschließen und die Finanzhilfe einstellen.

„Es herrscht wieder Ruhe“. In Sri Lanka heißt das, die UNP hat ihre Macht in den nicht-tamilischen Landesteilen konsolidiert. Weder die desorganisierte Oppositionspartei von Frau Bandaranaike noch die kaum mehr existenten Linksparteien gefährden die UNP-Position ernsthaft. Die Regierungspartei kontrolliert weitgehend die „Sicherheitskräfte“, die Rechtssprechung und den gesamten Verwaltungsapparat. Hinter der Fassade einer parlamentarischen Demokratie stilisiert sich Präsident Premadasa, einem singhalesichen König gleich, als Patron und Gönner seiner Untertanen und versucht an vorkoloniale Zeiten und feudale Machtstrukturen anzuknüpfen.

Wer kann, sucht unterdessen das Weite. Australien und Kanada sind die beliebtesten Ziele, doch auch vor allen anderen Botschaften, insbesondere der europäischen Staaten, stehen die Antragsteller nächtelang Schlange für einen Visumantrag. Der Traum vom Leben im Ausland wird um so größer, je mehr das Leben im eigenen Land zum Alptraum wird.

thp

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