piwik no script img

Grauwertmeister, Plantagenkontemplation, Westhämmer

Grauwertmeister, Plantagenkontemplation , Westhämmer

Fotos in der Kunsthalle / U-Bahnkunst bei Rabus /

Kotelettfresser bei Steinbrecher

Blätterloses Gerank vor Backsteinwand sehen und sich viel Zeit nehmen, bis das Licht stimmt: Dann überziehen hauchzarte Linien das Dunkel und erzeugen grafische Muster. Der Augenblick des Fotografen. Rolf Sackenheim, 1921 in Koblenz geboren, lehrte in den 60ern Druckgrafik an der Kunstakademie Düsseldorf und war Vertreter des grafischen Informel. Anfang der 70er schenkte ihm jemand eine Kamera, und Sackenheim entdeckte, daß er sein Interesse an der Linie auch in diesem Medium verfolgen kann. Zwischen 1976 und 1989 entstanden die Bilder, die jetzt in der Kunsthalle zu sehen sind. Ein Großteil der Fotos ist ein Geschenk Sackmanns an die Kunsthalle (die sich seitdem verstärkt um Fotografie kümmern, z.B. eine eigene fotografische Sammlung aufbauen will). Sackenheim sucht die grafische Struktur in der leblosen Materie, gern beschäftigt er sich mit Architektur. Dabei mißachtet er die Gesetze der Architekturfotografie, liebt Verzerrungen, reduzierte Durchblicke. Hier kann er Meister des Lichts und der Grauwerte sein, Menschen kommen nicht vor. Äußerstenfalls zarte Spuren, etwa wenn er ein verknautschtes Lümmellager ablichtet: Die Stelle, wo kurz zuvor ein Mensch lag, knautscht sich anders als das Umfeld. Dort liegt nun eine Perlenkette. Daß der Bretterstapel im Katalog auf dem Kopf steht, ist schon wieder ästhetisch kaum mehr von Belang. (Eröffnung heute, 18.30; bis 27.Mai)

Die Geschichte der neuen wunderschönen großen Galerie Rabus geht so: Katrin Rabus besuchte den jungen Monochromisten Wolfgang Hannen, der in einer öden Fabrikhalle einer großformatigen Arbeit nachging. Für die Ausstellung „Transfer“ in Hannover malte er vier große Bilder, deren Dimension an eine U-Bahnstation angepaßt war. Frau Rabus erkannte schnell, daß hier, in der alten Blusenfabrik in der Plantage, der Platz für ihre neue Galerie war. Damals versprach sie Hannen und seinem Ateliernachbarn Thomas Maassen eine Ausstellung, und nun ist es soweit. Die vier U -Bahnbilder stehen wieder in der Halle, letztere hat allerdings ihr Äußeres aber stark verändert. Die zunächst schwarzen, hochglänzenden Arbeiten, die, je näher man kommt, aus der Tiefe immer mehr Farbe preisgeben, geben dem Raum eine sakrale Atmosphäre, die ästhetisch aufgefangen wird durch einzelne kleine, monochrom rote bzw. dunkeltürkise Tafeln. Eine beein-drückende Installation, wenn nur die spiegelnden Oberflächen nicht wären, unter denen sich die schwarzen Ikonen verbergen. Man merkt: Das ist nicht der Ort dieser Bilder. Und Hannens Crux: Er weiß nicht, wohin mit den Riesen. Frau Rabus hofft auf einen Interessenten mit Fabrik.

In den Nebenräumen präsentieren sich neue Arbeiten des Otterberg-Kunsttherapeuten Thomas Maassen, der farbige geometrische Körper gegen einen schwarzen Hintergrund setzt oder, anderherum, farbige Durchblicke durch Schwarz gestattet. Ein Raum tut sich auf, vermutlich sogar ein Kosmos, die Farben sind feinsinnig aquarelliert und verraten die Schule. Doch unwiderstehlich zieht es den Rezensenten zum Erhabenen, in die Haupthalle, wo Kontemplation möglich ist. (Plantage 13, bis zum 26.5.)

Wieder ein Besessener in der Galerie Steinbrechern, ein Berserker, ein Ex-Dresdener, ein Hammer- wenn nicht Sichelgeprägter. Claus Hänsel, seit '84 Bremer, Grafiker mit malerischem Untergrund, zeichnet Hammerköpfe, Freßköpfe, gigantische Koteletts, macht aus der Galerie einen Konsumtempel und ist kein Kotelettkritiker. Seine immer wiederkehrenden emblematischen Hämmer, die er mit Schablone multipliziert, bringt er mit rasender Hast zu Papier und produziert endlose Serien. Fast immer führt Hänsel eine Idee doppelt aus, als ob Verlustängste ihn trieben, seine Koteletts (Wurfanker?) wirft er auf 4x2,50 m Leinwand, ein Freund der quicken Silberbronze. In die Ausstellung lockt plakativ eine roter Lachmund noch ohne Kotelett auf Gelb, in zigfacher Ausführung. „Nichts Neues im Westen“ fand Hänsel, Hämmer überall. (Am Dobben 44, Eröffnung heute 20 Uhr, bis 19.Mai) Bu

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen