„Wir haben nicht vor, Selbstmord zu begehen“

■ Interview mit dem Bremer Bürgermeister Klaus Wedemeier über eine mögliche Neustrukturierung der Bundesländer in Gesamtdeutschland

Der Hamburger Bundessenator Gobrecht hat am Mittwoch vorgeschlagen, daß es in einem vereinigten Deutschland künftig nur noch fünf Bundesländer im Westen und zwei im Osten geben solle. Bremen soll nach Gobrechts Vorstellungen in einem gemeinsamen norddeutschen Bundesland mit Hamburg, Schleswig-Holstein und Niedersachsen aufgehen.

taz: Die bevorstehende Vereinigung führt jetzt zu einer Diskussion über die Bundesländer. Hamburgs Bundessenator Gobrecht hat vorgeschlagen, nur noch sieben Bundesländer in einem Deutschland zu haben. Was halten sie davon?

Klaus Wedemeier: So eine Diskussion darf man erstens nicht über die Köpfe der Betroffenen hinwegführen, und das macht Herr Gobrecht schon seit Monaten, auch nicht immer zur Freude seiner Senatkollegen in Hamburg übrigens. Und zweitens sollten wir nicht auch noch der DDR vorschreiben, welche Länder in der DDR entstehen. Ihnen jetzt vorzuschreiben, sie hätten statt fünf nur zwei Länder zu bilden, entspricht dem sonstigen Umgang mit der DDR. Und daß das jetzt auch ein Sozialdemokrat macht, enttäuscht mich.

Nun ist Gobrecht nicht alleine. Ähnliche Ideen haben Ihre Kollegen Albrecht und Wallmann geäußert, und auch die Bayern denken in diese Richtung. Das zielt ja nicht nur auf die DDR ab, sondern meint: Wir brauchen eine Neustrukturierung der Bundesländer auch hier.

Die Kollegen drücken sich aber allgemeiner aus. Sie sagen, wir müssen nachdenken. Das akzeptiere ich. Aber ich akzeptiere nicht, daß jemand meint, er müsse Vorschläge unterbreiten, den Paragraphen 29 aus der Verfassung zu streichen. Dieser Artikel garantiert der Bevölkerung, selber zu entscheiden, ob das Bundesland aufgelöst werden soll oder nicht. Hier mißachtet Gobrecht das plebiszitäre Element. Und das, während die SPD ein Programm verabschiedet, in dem dieses Element gestärkt werden soll.

Aber das Argument hat doch etwas für sich: „Die überschuldeten Länder wie Bremen und das Saarland geraten bei einer Vereinigung in die volle Abhängigkeit von der Bundesregierung. Es braucht starke Länder, um das föderative Element zu stärken.“

Aber Gobrecht übersieht völlig, warum auch Hamburg überschuldet ist. Wir sind ja nicht deshalb überschuldet, weil wir wirtschaflich weniger leistungsfähig wären, sondern weil wir zuviel von den Steuern, die in Bremen erarbeitet werden - Stichwort 100.000 Niedersachsen arbeiten in Bremen

-abgeben und dafür nicht genügend aus dem Länderfinanzausgleich zurückbekommen. Das ist keine Frage der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, sondern der Verteilung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden.

Denoch wäre es für große Bundesländer sicherlich einfacher, einen Ausgleich zwischen starken und schwachen Wirtschaftregionen zu schaffen.

Generell ist das richtig. Dazu ist aber zweierlei zu sagen. Erstens lebt ein föderales System von der Vielfalt und der Verschiedenartigkeit der Länder und nicht davon, daß es fünf oder sieben gleich starke Länder gibt, so wie Gobrecht das erträumt. Das nenne ich nicht mehr Förderalismus. Und zweitens: Es mag ja sein, daß Norddeutschland es etwas leichter hat. Das gilt aber nur oberflächlich. Bestimmte Regionen werden dabei leiden. Und Gobrecht weiß genau, daß Hamburg dann die Metropole des Nordens wird, die darüber entscheidet, wo Ländersteuern investiert werden, zum Beispiel im Hafenbereich. Heute sind wir in der Lage, die Mittel, die wir haben, für lebensnotwendige Investitionen in den Häfen auszugeben. Keine Zentralregierung Norddeutschlands wird die Steuern so verteilen, daß alle Häfen aufrecht erhalten werden: Bremen wird dem Schicksal von Brügge entgegen gehen. Das war auch einmal eine sehr bedeutende Hafenstadt und ist heute eine Touristenstadt. Da kann man Kurtaxe nehmen.

Aber ist nicht gerade das Häfenbeispiel, ein schlechtes Beispiel? Hier wird von den Bundesländern aneinander vorbeigeplant. Überall werden Häfen erweitert, und gleichzeitig sind die vorhandenen Häfen nicht ausgelastet. Das ist doch ein Konkurenzkampf mit Steuermitteln, der bei einer Gesamtpolitik Küste zu vermeiden wäre.

Das ist richtig. Aber eine Gesamtplanung Küste im Sinne des Herrn Gobrecht würde dafür sorgen, daß nur noch Hamburg Hafenplatz ist. Notwendig wäre, die Hafenaktivitäten zu koordinieren. Es wäre unsinnig, in Emden einen großen neuen Hafen auf Kosten der Natur zu bauen, der nur Umschlag aus Cuxhaven, Bremerhaven oder Hamburg abziehen kann. Da ist eine Abstimmung notwendig. Aber das Problem ist nicht dadurch zu lösen, daß man alles auf eine Stadt konzentriert. Und die Menschen in den anderen Städten, die vom Hafen abhängen, die läßt man schlicht hinten runterfallen.

Ihre Argumentation ist defensiv. Sie sagen: So wie Gobrecht das will, geht es nicht. Aber ist es nicht sinvoll, in einem sich rapide verändernden Deutschland über neue, bessere Lösungen nachzudenken.

Ich habe nichts dagegen, wenn die Hamburger sich zur Disposition stellen. Die Bremer haben eine etwas längere republikanische Tradition und sind in der Arbeiterschaft und in der Kaufmannschaft gleichermaßen selbstbewußter. Bremen jedenfalls wird sich nicht zur Disposition stellen. Wir wollen selbstständiges Bundesland bleiben. Wir haben schon viele schwere Zeiten überstanden. Wir werden auch Herrn Gobrecht überleben. Immerhin hat das Bundesverfassungsgericht die Stadtstaaten als Wunschkind der Verfassung bezeichnet. Wunschkinder bringt man eigentlich nicht um. Das Recht, Selbstmord zu begehen, hat natürlich jeder. Wir haben das nicht vor.

Fragen: Holger Bruns-Kösters

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