: Kinderverschiebung im Krankenhaus
■ Die Neuropädiatrie in der Prof.-Hess-Kinderklinik soll aufgelöst werden / Der Grund: Personalmangel
Zwölf Betten hat die Station 19 der Prof.-Hess-Kinderklinik im Zentralkrankenhaus St.-Jürgen. Ein kleiner Bereich also, dazu sehr pflegeintensiv. Fast zwei Drittel der Kleinkinder bis zu fünf Jahren, die dort zur stationären Behandlung untergebracht sind, sind schwerstbehindert. Sie lernen dort nach Unfällen neu zu sprechen, zu essen, zu gehen. Sie haben Schädigungen des zentralen Nervensystems, leiden unter spastischen Anfällen oder kämpfen mit den Folgen eines frühgeburtlichen Sauerstoffmangels. Um ihren Zustand zu verbessern, bedarf es aufmerksamer Beobachtung, großer Zuwendung und spezieller Therapiemethoden. Doch auf Station 19 sind zuwenige Pflegekräfte damit beschäftigt - und überfordert. Ohne die Mithilfe der Eltern beim Füttern und Säubern der Kinder, ohne deren häufige Anwesenheit in der Klinik wäre der Betrieb in den letzten Monaten nicht aufrechtzuerhalten gewesen.
Nun soll die ganze Station geschlossen werden. Zum 15. Mai, sollte sich die Krankenhausdirektion mit ihren „Lösungen“ zum Personalmangel und Pflegenotstand durchsetzen, werden die kleinen Patienten auf andere Sta
tionen verlegt. Doch für diesen Fall übernehmen die Ärzte keine Garantie mehr für die notwendige Behandlung, weigern sich einige gar, die lindernden, aber sensiblen Hormon-Kuren durchzuführen. Eltern befürchten, daß „Leben und Gesundheit der Kinder in
Gefahr“ sind. Schließlich, so argumentieren sie, könne man keine hyperaktiven Kranken, denen man ständig auf den Fersen sein muß, in die Tumorstation verlegen. Und stark infektgefährdete Anfallpatienten lassen sich nicht mit Kindern zusammenle
gen, die eine Lungenentzündung auskurieren. Ganz abgesehen von den fehlenden Apparaturen und Einrichtungen.
„Entweder es werden Schwestern eingestellt oder es gibt die Neuropädiatrie in Bremen nicht mehr“, skizzierten gestern Perso
nalrat und Pflegepersonal der St.-Jürgen Klinik gemeinsam mit betroffenen Müttern die dramatische Situation. Station 19 ist bislang Heimstatt für Kinder aus der ganzen Region. Sie müßten bei einer Schließung künftig von Wilhelmshaven, Emden oder Bremen bis nach Hamburg, Hannover oder Kiel fahren. Und das auch in akuten Notfällen. Ein Grund mehr für die Ängste der Eltern.
60 Planstellen fehlen nach Berechnungen der Beschäftigten, die sich auf Erhebungen der Deutschen Krankenhausgesellschaft stützen kann. Ganze 6 Stellen sollen nach dem Willen der Krankenhausdirektion neu geschaffen werden. Eine „Notbremse“ sagt die Personalratsvorsitzende Christina Schröder. Ihre Forderung: Die Stellenberechnungen für das Pflegepersonal aktualisieren und damit die reichen Krankenkassen in die Finanzierungspflicht zu übernehmen. Und solange dies nicht passiert, sei das politische Votum der Gesundheitsbehörde gefragt. Doch die winkt ab. Personalprobleme seien Probleme des Krankenhauses. Der eingeladene Senatsdirektor Dopatka erschien gar nicht auf der gestrigen Versammlung.
Andreas Hoetzel
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen