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Moskau verhängt Ölembargo gegen Litauen

■ Moskau hat die Wirtschaftsblockade begonnen / Überraschendes Gespräch mit Gorbatschow / Drastische Sparmaßnahmen in Litauen Energievorräte für wenige Tage / Ministerpräsidentin Prunskiene auf Erdölsuche / Oslo sagt Unterstützung zum Weltmarktpreis zu

Moskau/Oslo (taz/dpa) - Die sowjetische Regierung hat am Donnerstag die angedrohte Wirtschaftsblockade gegen Litauen begonnen. Auf persönliche Anweisung von Präsident Michail Gorbatschow und Regierungschef Nikolai Ryschkow wurden in der Nacht zum Donnerstag die gesamte Erdölzufuhr gestoppt und um 10 Uhr die Lieferung von Erdgas drastisch eingeschränkt. In Vilnius kündigte die litauische Regierung Sparmaßnahmen an. Überraschend angesetzte Gespräche der Parlamentspräsidenten von Litauen und Estland, die gestern nachmittag getrennt von Staatschef Gorbatschow empfangen wurden, führten offenbar nicht zum Kompromiß. Arnold Rüütel, Parlamentspräsident von Estland, sagte anschließend im estnischen TV, der Kremlchef habe „mehrmals gedroht, in Estland kann die selbe Lage entstehen, wie in Litauen“.

Wenige Stunden vor Beginn des Embargos hatte der Oberste Sowjet von Litauen nach zweitägiger Debatte beschlossen, Moskaus ultimativen Forderungen nach Rücknahme umstrittener Gesetze nicht nachzugeben. Das Parlament stimmte zwei Dokumenten zu, in denen unter anderem angeboten wird, bis 1. Mai keine weiteren Gesetze zu beschließen. In dieser Zeit solle Moskau den Dialog mit einer neuen litauischen Regierungsdelegation aufnehmen.

Zu einem „privaten“ Besuch hält sich Litauens Premierministerin Kazimiera Prunskiene seit Mittwoch abend in der norwegischen Hauptstadt auf. Alles andere als privat ist ihr Anliegen. Litauen hofft Öl von Norwegen erhalten zu können. Und das nicht nur gegen Dollar, wie das staatliche Ölunternehmen Statoil dies bereits angeboten hat. Man habe bekanntlich keine Dollars, so Prunskiene, und hoffe deshalb auf andere Zahlungsmöglichkeiten.

Zwar haben sich die drei Parteien der Regierungskoalition für großzügiges Entgegenkommen ausgesprochen, aber die Regierung als solche übt bislang Zurückhaltung. Ministerpräsident Syse erklärte, er beabsichtige nicht, irgendwelchen Einfluß auf die Geschäfte der beiden staatlichen - Ölunternehmen Statoil und Norsk Hydre zu nehmen. Noch deutlicher äußerte sich Außenminister Bondevik: Die Regierung werde keinerlei Initiative für Öllieferungen nach Litauen ergreifen. Bei Statoil verweist man auf die üblichen Geschäftsbedingungen und zeigt sich im übrigen nicht besonders interessiert an einem Abschluß. Rynning Öyen, Direktor bei Statoil: „Die Zahlungskonditionen müssen natürlich stimmen.“ Er verweist auch auf die praktischen Probleme von Öllieferungen: Die Häfen seien nicht für die 120.000-Tonnen-Tanker von Statoil geeignet. Und was geschehe, wenn die Sowjetmarine die Häfen blockiere? Nicht angesprochen werden von Öyen die guten Geschäftsverbin Fortsetzung auf Seite 2

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dungen, die beide Ölunternehmen mit der UdSSR haben. Es gibt mehrere vertragliche Abkommen, man möchte gerne in der Barentsee gemeinsam mit den Sowjets bohren. Jährlich verkauft Statoil 1,5 Mio. Tonnen Öl an die UdSSR. Auf politischer Ebene wartet man in Norwegen und Dänemark ganz offensichtlich auf ein Signal aus Washington. Das neutrale Finnland hält sich mit irgendwelchen offiziellen Stellungnahmen völlig zurück, und auch in Schweden gibt man sich übervorsichtig. Ministerpräsident Carlsson appellierte an Besonnenheit auf beiden Seiten. Mögliche schwedische Hilfsmaßnahmen würden erst dann beraten, wenn Handlungsbedarf sei. Die konservative Opposition fordert einen „Bruch des peinlichen Schweigens“, hält sich bislang aber ebenfalls mit konkreten Vorschlä

gen zurück. Auch die Verweigerung von Einreisevisa durch die Sowjets für die baltischen Länder, die in den beiden letzten Wochen eine Kulturdelegation mit Regierungsmitgliedern, die Umweltpartei der Grünen und die Linkspartei-Kommunisten gleichermaßen betrafen, wurde politisch so tief wie möglich gehängt. Fürs gute Gewissen gibt es seit vier Wochen in verschiedenen schwedischen Städten „Montagsdemonstrationen“ jeweils zur Zeit der Mittagspause, die wachsenden Zustrom seitens der Bevölkerung verzeichnen können. Auf diesen - den Montagsdemos der DDR abgeguckten - Veranstaltungen versichern SprecherInnen aller Reichstagsparteien den Ländern jenseits der Ostsee und deren Freiheitsbestrebungen ihre volle Sympathie. Meist verbunden mit der Hoffnung, Litauen und die UdSSR würden sich schon am Verhandlungstisch einig werden. Womit eigenes Handeln ja überflüssig würde.

Reinhard Wolff

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