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Wenn Stasi-Leute die Auflösung der Stasi-Objekte leiten...

■ Aus einer vertraulichen Anweisung des Stasi-Ministers Mielke für die konspirative Kontrolle der „Versorgungseinrichtung des Ministerrates“ (VEM)

Berlin (taz) - Das Ministerium für Staatssicherheit war im SED-Staat für alles zuständig. Wenn es eine „Versorgungseinrichtung des Ministerrates der DDR“ gab, kurz: VEM, die die Liegenschaften des Ministerrates verwaltete, dann kann man nach menschlichem Ermessen sicher sein, daß die Stasi ihre Finger drin hatte. Schon deshalb, weil die VEM die „Gäste der Partei- und Staatsführung“ zu betreuen hatte - das war vornehmste Aufgabe des MfS.

Wie tief das MfS die Finger drin hatte, in ist den letzten Wochen bei dem Versuch, VEM-Villen an Nomenklatura-Kader des SED-Regimes und an verdiente Persönlichkeiten der Wende-Zeit billig zu verkaufen, den unermüdlichen Kontrolleuren vom Untersuchungsausschuß „Objekte“ des Runden Tisches Pankow klar geworden. Die Verteilung des alten VEM-Besitzes ist ganz offensichtlich in der Hand alter Stasi-Offiziere selbst. Ganz offiziell.

Leiter der Abteilung Recht und Grundstücksverkehr beim VEM ist Jürgen Erdmann - seit Jahren, bis heute.

Das Ausmaß der Stasi-Beteiligung an der VEM der DDR -Regierung wird durch eine Zahl deutlich: 40% der VEM -Liegenschaften in Berlin dienten de facto der Staatssicherheit. In der gesamten DDR waren es nach einer Aufstellung des Ministeriums für Stasatssicherheit 1986 streng vertraulich: 113 konspirative Wohnungen, 203 konspirative Objekte, 33 konspirative Dienstobjekte, 17 Wohnobjekte und 16 Naherholungsobjekte.

Bei diesem Umfang der Nutzung eines regierungsoffiziellen Firmenschildes für die Tarnung von Stasi-Tätigkeit liegt es nahe, daß die Stasi wissen wollte, wer in der VEM das Sagen hat. 1984/85 gab der Genosse Minister Mielke eine Überprüfung in Bezug auf Konspiration und Sicherheit der Stasi-Objekte in Auftrag - und mußte „Mängel und Schwächen“ bei der „Gewährleistung der Konspiration“ feststellen. „Dekonspiration“ sei es etwa, wen Strom- und Gasrechnungen überwiesen wurden. Schriftliche Spuren sollten nicht entstehen, alles muß seit 1986 in bar beim Geldinstitut bezahlt werden.

Schwerwiegender: Dem Leiter der Abteilung Recht und Grundstücksverkehr des VEM wurde ein „unzureichender Stand der Klärung der Frage Wer ist wer bei einem Teil der in der Abteilung tätigen Mitarbeiter“ vorgeworfen. Abhilfe: Für alle Mitarbeiter der VEM-Abteilung sollte direkt die Stasi -Hauptabteilung XX/1 „die operative Verantwortung“ tragen. Die Leitung des VEM war eh dieser Stasi-Abteilung verantwortlich. Im Stasi-Amtsdeutsch: „Auf der Grundlage des durch den Genossen Minister bzw. seinen zuständigen Stellvertreter bzw. den Leiter der Arbeitsgruppe des Ministers bestätigten Antrages zur Nutzung der VEM hat unter Einbeziehung des beauftragten Mitarbeiters der Diensteinheit durch den Offizier für Sonderaufgaben eine Abstimmung mit dem Leiter der Abteilung Recht und Grundstücksverkehr (OibE) über solche notwendig zu lösenden Aufgaben zu erfolgen.“

In dem „Bericht über die Gewährleistung von Konspiration, Geheimhaltung und Sicherung bei der Nutzung der Versorgungseinrichtung des Ministerrates der DDR (...) zur Abdeckung konspirativer Objekte und Hauptamtlicher IM“ (Informeller Mitarbeiter), der der taz vorliegt, heißt es klar: „Durch den Leiter der Hauptabteilung XX sollte in Abstimmung mit der Hauptabteilung Kader und Schulung ein in der politisch-operativen Arbeit erfahrener und langjähriger Mitarbeiter als Offizier für Sonderaufgaben zur Führung der in der VEM tätigen OibE (Stasi-Offiziere im besonderen Einsatz, d.Red.) sowie zur politisch-operativen Sicherung aller weiteren in der Abteilung Recht und Grundstücksverkehr tätigen Personen eingesetzt werden.“

K.W.

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