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Körperloch und Hexerei

■ Trotz dem hart erarbeiteten 1:0-Sieg über Bayreuth ist Blau-Weiß noch immer nicht aus dem Abstiegsschneider / Trotzdem ist ein Lob unvermeidbar

Charlottenburg. Es bleibt noch abstiegs-kritisch für die Blau-Weißen, trotz des 1:0-Sieges über Bayreuth. Scheußlich, denn nach Expertenmeinung ist es wirklich unheimlich wichtig, daß Berlin wenigstens eine Zweitliga-Mannschaft erhalten bleibt. Warum? Naja, egal, jedenfalls, wenn Hertha in die erste Liga abgeht und auch diesmal kein Berliner Team aus der Oberliga aufsteigt, muß sich jetzt alle Konzentration auf die Blau-Weißen richten.

Was nichts anderes heißt, als daß die Presse alles tut, die Mannschaft moralisch zu stärken. Weswegen als absolute Neuerung eine ausnahmslos positive Berichterstattung unausweichlich erscheint. Also: Zuerst Trainers Wort: „Der Sieg war verdient“, sagte Horschtle Ehrmanntraut. Stimmt. Und bei dem Gedanken daran, wie dieser Sieg erarbeitet wurde, ist noch mehr Lob unvermeidbar.

Es ist schon enorm schwer, bei sonnigem Wetter vor 1.332 Menschen in einer riesigen Betonschüssel aufzulaufen. Bravourös überwanden die Blau-Weißen dieses Motivationsloch und kämpften und kämpften. Levy, diesmal im Mittelfeld, semmelte laufend seine berüchtigten Fernschüsse aufs Tor, Schlußmann Gehrke machte in Hexermanier alle drei Bayreuther Chancen zunichte und Adler köpfte den Ball zum Siegtreffer ins Tor: verdienter Lohn der pausenlosen Bemühungen. Letzteres schaffte laut Ehrmanntraut ein „kurzes, körperliches Loch“, aber dauerte das nicht fast neunzig Minuten an?

Nanana, nicht schon wieder miesmachen. Nur ganz leise sei erwähnt, daß Gegner und Tabellenletzter Bayreuth den Klassenerhalt wegen Lizenzentzug anderer Vereine geschenkt bekam und diese Saison auswärts sieglos blieb. Zudem schwingt schon der vierte Trainer das Zepter und kürzlich verloren sie den Präsidenten wg. Herzinfarkt.

Doch wir loben unsere Berliner nach der 1:6 Hinspielschlappe. Die Stadt braucht einen Zweitligisten, schon aus Gründen des Minderheitenschutzes: mehr als tausend Menschen haben Vergnügen an Blau-Weiß-Spielen. Außerdem fahren die Fans der Gäste gerne nach Berlin (gestern über die Hälfte der Besucher). Und wenn die leidige Hertha endlich in der öden ersten Liga verschwindet, kommen wieder Scharen zum heißen Zweitliga-Kick.

Also, laßt die Köpfe nicht hängen, ihr Blau-Weißen, ihr habt Zukunft. Und eines sollte nun wirklich positiv erwähnt werden, gerade nach den letzten Ereignissen: ihr habt zwar mit Abstand die wenigsten, aber besten, weil friedlichsten Fans in ganz Berlin.

Schmiernik

Blau-Weiß 90: Gehrke - Drabow - Schmidt, Kutschera Gartmann, Levy (88. Wilbois), Motzke, Kuhnert, Wagner Adler (83. Deffke), Schlegel.

Bayreuth: Grüner - Gerber - Konradi, von Aufseß - Wolff, Jalocha (68. Glowatzky), Schneider, Wiest, Gebhardt (46. Biernath) - Scheler, Staudner.

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