Aschenputtel auf dem Ball

■ Journalistinnen aus Ost und West diskutierten über Umbruch der Medienlandschaft und ihre eigene Zukunft

An den Zeitungskiosken in der DDR haben die West-Blätter den einheimischen Produkten längst den Rang abgelaufen. Unter den gestylten Hochglanz-Journalen würden die eigenen Zeitschriften versteckt wie die Schmuddelkinder. „Wir fühlen uns wie Aschenputtel auf dem Ball“, sagt Frieda Jetzschmann, Chefredakteurin der DDR-Frauenzeitschrift Für Dich. Mit einer Auflage von rund 900.000 war das Wochenblatt im Dienste der SED bisher ohne Konkurrenz. Seitdem aber alle Subventionen wegfallen, steht der Überlebenskampf auf der Tagesordnung. Mit ihrem - für westliche Verhältnisse -riesigen MitarbeiterInnenstab (rund 70 Personen), langen Druckzeiten, gräulichem Outfit und ohne Anzeigen hat die Für Dich wenig Zukunftschancen. Zunächst mußte der Preis verdreifacht werden. Die Zeitschrift kostet jetzt 1,50 Mark am Kiosk, während „Bild der Frau“ für 1 Mark weggeht. Je billiger ein Blatt gemacht sei, desto besser verkaufe es sich in der DDR. Die Massen, bisher noch ein begieriges und unkritisches Publikum, seien schnell verführt, plaudert Eva Kohlrusch (Springer Verlag) aus der Marktstrategie ihres Arbeitsgebers.

Die mediale „Kolonialisierung“ der DDR durch die BRD stand im Mittelpunkt der zweitägigen Gespräche, die Journalistinnen aus West und Ost vergangenes Wochenende in München führten. Gastgeberin: der „Deutsche Journalistinnenbund“. Rund 150 Frauen aus Print, Rundfunk und Fernsehen waren zusammengekommen, um den Umbruch in der Medienlandschaft und seine Folgen für Frauen zu diskutieren.

Das Eindringen westlicher Durckerzeugnisse in die DDR ist dabei eher das kleinere Problem. Es gibt keinen Sender und keine Zeitung, bei denen nicht bereits Beteiligungs- oder Kaufverhandlungen laufen - meist über die Köpfe der Belegschaft hinweg. Sabine Zurmühl, Freie aus West-Berlin nennt das „usurpatorische Dimensionen“. Auch die Öffentlich -Rechtlichen hätten ihre Pläne zur Übernahme der DDR-Sender bereits in der Schublade, kritisiert ARD-Pressesprecherin Verena Metze-Mangold. Sie wendet sich aber auch gegen die „Vorwurfsmentalität“ der DDRlerInnen. Schließlich seien es oft „Ihre Leute“, die in der BRD oder im westlichen Ausland die Klinken putzten. Im augenblicklich „rechtsfreien Raum“ würden immer wieder unglaubliche Konzessionen ans große Geld gemacht: vorbei an den Kartellbestimmungen, Konkurrenz bis aufs Messer, Zustände wie im Frühkapitalismus.

Viele DDR-Journalistinnen sehen düster in die Zukunft. Der kurzen Euphorie, endlich alles schreiben und sagen zu können, ist rasch die Existenzangst gefolgt. „Jetzt, wo's anfängt Spaß zu machen, hörts für viele von uns wahrscheinlich auf“, fürchtet Rosemarie Radtke vom Radio DDR 1. Und eine andere: “ Viele Kolleginnen sagen: Wenn ich was anderes könnte, würde ich mit dem Journalismus Schluß machen. Denn Frauen haben jetzt überhaupt keine Chance mehr“.

In der DDR sind mehrheitlich Frauen im Journalismus beschäftigt - natürlich nicht in den Chefetagen. Klar ist: Der stattliche staatliche Medienapparat wird drastisch abgespeckt. Und die Frauen, gehandicapped durch Kinder und schwächere Ellenbogen, fürchten, daß sie zuerst auf der Strecke bleiben. Und was passiert mit den zarten Pflänzchen Frauenmagazine? Das erste leistete sich der Berliner Rundfunk - ab Januar jeden zweiten Mittwoch von 10.40 bis 12,00 Uhr. Das Jugendradio „dt 64“ zog Sonntagabends mit seiner „lila Stunde“ nach. Im DFF 1 (Deutscher Fernsehfunk) hatte vor kurzem das Magazin „Ungeschminkt“ Premiere und beim Rundfunksender DDR 1 gehts kommenden Freitag mit einem Frauenprogramm los.

Aber der Umbruch in der gesamtdeutschen Medienlandschaft trifft nicht nur die DDRlerinnen. Besonders die westlichen Freiberuflerinnen werden die Konkurrenz aus dem Osten noch zu spüren bekommen. Doch noch überwiegt das Interesse am gegenseitigen Kennenlernen, Erfahrungsaustausch und das Bedürfnis nach gemeinsamer Aktion. In Berlin gibt es bereits seit einigen Wochen einen regelmäßigen Treff von Ost- und Westkolleginnen. Die Tagung in München war der erste Versuch, das Netz über das gesamte neue Deutschland zu spinnen.

Ulrike Helwerth