: Fragwürdig
■ betr.: "Westintegration als Modell für Gesamteuropa", taz vom 17.4.90
betr.: „Westintegration als Modell für Gesamteuropa“,
taz vom 17.4.90
Begrüßenswert ist ein Vorschlag eines eruropapolitischen Konzepts an sich schon. Könnte er doch den Beginn einer langfristig angelegten europapolitischen Orientierung markieren, die den Grünen meines Erachtens bisher fehlt. Fragwürdig ist jedoch die Vorstellung des „KSZE-Systems“ als zentraler Bezugspunkt eines solchen Konzepts insbesondere aus zwei Gründen:
1. Die dadurch bewirkte Einbindung Europas in einen „nordglobalen Staatenverbund“ hat bei der gegenwärtigen Machtkonstellation die Verewigung der US-amerikanischen Hegemonie zur Folge anstatt Europas Eigenständigkeit gegenüber USA und UdSSR zu fördern.
2. Weil als maßgebliche Träger des KSZE-Systems die Nationalsstaaten hingenommen werden, wird dieses System die Entwicklung Deutschlands zu einer europäischen Großmacht nicht verhindern können.
Anstelle der KSZE sollte die Westeuropäische Union (WEU) als älteste europäische Nachkriegsorganisation zum Ausgangspunkt der Entwicklung eines europapolitischen Gesamtkonzepts gemacht werden. Denn sie könnte in Verbindung mit der Europäischen Gemeinschaft (EG) die politische Grundlage und den institutionellen Rahmen für Europas Entwicklung zu einer „Dritten Kraft“ zwischen Ost und West bilden. Und die nationalstaatliche Struktur Europas muß durch die Entwicklung ethnischer und ökonomischer Regionen als autonome Gliedstaaten einer Europäischen Föderation überwunden werden. Denn nur so läßt sich die Entwicklung Deutschlands zu einer europäischen Vormacht verhindern.
Nur eine aus der WEU und ihrer Verbindung mit der EG heraus entwickelte und konsequent regionalisierte europäische Föderation kann vielleicht auch noch jener von Klaus Heidel in seinem Artikel „Daimler für 'strategische Allianzen‘ von Weltformat“ (taz vom 18.4.90) behandelten „Triade“ (USA, EG, Japan) mit Aussicht auf Erfolg entgegenwirken. Denn nur eine solche Föderation könnte Vorbild für ähnliche Föderationen in anderen Weltregionen werden, die ihrereseits an die Stelle einer drohenden US-amerikanischen „Brave New One World“ treten könnten.
Lutz Roemheld, Fröndenberg
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