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Hat die WEU bald ausgedient?

Deutsch-französischer Plan, in der EG Außen- und Rüstungspolitik zu betreiben, stellt die Westeuropäische Union (WEU) in Frage / Gemeinsame Brigaden als Grundstock für eine europäische Armee  ■  Aus Brüssel Michael Bullard

Wird die Westeuropäische Union aufgelöst? Bundesaußenminister Genscher dementierte am Montag während einer WEU-Außenministertagung in Brüssel das Gerücht, daß das 1955 ins Leben gerufene westeuropäische Militärbündnis dem Politisierungsprozeß der EG geopfert werden soll.

Der französisch-deutsche Plan, die EG zu einer politischen Einheit mit gemeinsamer Außen- und Rüstungspolitik auszubauen, stellt allerdings die Existenz der bisherigen WEU in Frage. Mitarbeiter Genschers bezeichnen die WEU bereits als Auslaufmodell. Das ursprünglich gegen Deutschland orientierte Bündnis umfaßt nur neun der zwölf EG -Mitglieder. Allerdings diskutierten die Außenminister der Beneluxstaaten, Frankreichs, Italiens, Großbritanniens, Spaniens, Portugals und der Bundesrepublik darüber, die WEU zum europäischen Nato-Pfeiler auszubauen.

Letzte Woche hatte WEU-Generalsekretär Willem Van Eekelen dazu den Vorschlag unterbreitet, eine deutsch-holländisch -britische Brigade soll den Grundstock für eine europäische Armee bilden: „Solche multinationalen europäischen Streitkräfte würden es ermöglichen, uns klarer gegenüber den Amerikanern zu definieren.“ Mit seinem Vorschlag will der frühere holländische Rüstungsminister gleich mehrere Probleme lösen: Die Amerikaner könnten zufriedengestellt werden, weil die europäischen Verbündeten durch eine aufgewertete und zu einem späteren Zeitpunkt mit der EG verbundene WEU einen höheren Anteil an den gemeinsamen Rüstungskosten übernehmen würden. Außerdem könnte damit das militärpolitische Ungleichgewicht ausgeglichen werden, das durch ein vereinigtes Deutschland entsteht.

In dem Zusammenhang begrüßte Genscher erneut den von Thatcher und Bush vorgeschlagenen Nato-Gipfel zur deutschen Einheit: „Die Mitgliedschaft eines vereinten Deutschlands in der Nato fördert die Stabilität in Europa.“ Eekelen möchte, daß die intereuropäische Probebrigade mit je 4.000 bis 5.000 Soldaten ausgestattet wird. Das britische Rüstungsministerium will sogar, daß jedes Land 15.000 Soldaten stellt. Unklar ist die Rolle Frankreichs in diesem Planspiel: Schließlich nimmt die europäische Atommacht seit 1966 nur begrenzt an der Nato teil. Deswegen sollen auch die atomaren Streitkräfte von der gemeinsamen Armee ausgeschlossen bleiben. Offen ist weiterhin, ob die bereits eingerichtete deutsch-französische Brigade mit von der Partie sein wird. Und die geplanten deutsch-polnischen und deutsch-tschechoslowakischen Brigaden? Sie werden laut Genscher vorerst nicht Teil des anvisierten europäischen Heeres sein.

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