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Magnolien: alt und grün

Intakte DNS-Moleküle nach 20 Millionen Jahren  ■  BUNSENBRENNER

Charles Smiley von der Universität Idaho konnte strahlen. In einer „phantastischen Fundgrube“ machte er eine „Bombenentdeckung“ und ist seit diesem Tag glücklicher Besitzer der ältesten Magnolienblätter der Welt. Was er damit anfängt? Er hackt sie klein!

Aber der Reihe nach: Der glückliche US-Paläontologe fand seine Magnolienblätter versteckt zwischen uralten Schieferplatten. Seit zwanzig Millionen Jahren, schätzt Smiley, lagen sie dort unberührt - und grün(!) fast wie am ersten Tag. Damals blies der Wind sie in einen See, Schlammschichten deckten sie zu. Hermetisch abgetrennt von Licht und Sauerstoff schliefen sie den Dornröschenschlaf. Der Zahn der Zeit nagte vergeblich.

Was Charles Smiley so sehr erregte, war weniger das Blattgrün selbst als die Vermutung, mit seinem Fund die ältesten intakten Erbanlagen vor sich zu haben, die je ein Mensch zu Gesicht bekam. Daher seine „Zerstörungswut“. Smiley fotografierte seine Blätter, um sie anschließend für eine DNS-Analyse zu zerbröseln. Die DNS-Moleküle, das wissen wir aus der Schule, sind Träger der Erbanlagen aller Lebewesen.

Und tatsächlich konnten Smiley und seine Kollegen einen Rest von Erbmaterial in den „Chloroplasten“ der Uralt -Blätter nachweisen. Die nachgewiesene Gensequenz bestand aus 820 sogenannten Basenpaaren. Die Chloroplaste steuern die Photosynthese und treten in allen höheren grünen Pflanzen auf.

Die konservierten DNS-Moleküle sagen den Wissenschaftlern, wie sehr oder wie wenig sich das Erbmaterial in Millionen von Jahren verändert, wieviele Mutationen stattfanden, um von Smileys Magnolien zu jenen zu kommen, die heute unser Auge erfreuen. Und sie ermöglichen Rückschlüsse über den Grad der Verwandtschaft zwischen „zeitgenössischen“ Gewächsen. Wenig überraschend für die US-Forscher, zeigten die Magnolienblätter, daß die chemischen Bausteine, die der Photosynthese zugrunde liegen, sich in vielen Millionen Jahren kaum verändert haben. Von den 820 Basenpaaren in den urzeitlichen Magnolienblättern haben sich ganze zwölf bis zum heutigen Tag verändert. Und: Aufgrund des Fundes korrigierten die Paläontologen ihren Pflanzenstammbaum. Heutige Magnolien und Tulpenbäume sind näher miteinander verwandt als vermutet.

George Smiley jedenfalls wird seine „phantastische Fundgrube“ nun regelmäßig aufsuchen. Nicht zufällig machten die Biologen an jenem Ort schon andere „Bombenentdeckungen„; zum Beispiel wunderbar erhaltene Fossilien aus dem Reich der Insekten und Fische. Andernorts, bereits früher entdeckte fossile Lebewesen mit intakten DNS-Molekülen jedenfalls nehmen sich gegen Smileys Magnolienentdeckung von Idaho vergleichsweise jugendlich aus: Ein Mammut, 40.000 Jahre alt und ein Faultier, gerademal 13.000 Jahre.

san

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