Der „Fall“ Linda Reisch

■ Designierte Frankfurter Kulturdezernentin dementiert, für den Verfassungsschutz gearbeitet zu haben

Frankfurt (taz) - Der Multikulturdezernent der Stadt Frankfurt und 'Pflasterstrand'-Herausgeber Dany Cohn-Bendit (die Grünen) freut sich schon heute auf den 10. Mai. An diesem Tag soll die Sozialdemokratin Linda Reisch Nachfolgerin des scheidenden Kulturdezernenten Hilmar Hoffmann werden - „und die CDU wird Frau Reisch mit dem Hinweis auf deren unterstellte Tätigkeit für den Verfassungsschutz ablehnen müssen“ (Cohn-Bendit).

Mit dem Verweis auf die Argumentationsprobleme der staatstreuen Christdemokraten am Wahltag reagierte Cohn -Bendit auf einen „von interessierter Seite lancierten Bericht“ (Cohn-Bendit) in der 'Welt am Sonntag‘ (WaS), in dem der Kandidatin Reisch unterstellt wurde, in den frühen siebziger Jahren in Berlin für den Verfassungsschutz gearbeitet zu haben. Unter dem Decknamen „Bodensee“ habe die von Peter Glotz (SPD) protegierte Linda Reisch Mitglieder kommunistischer Gruppen, die heute bei den Grünen engagiert seien, an den Staatsschutz verraten.

Frau Reisch hat inzwischen alle Vorwürfe zurückgewiesen. Eine „Rufmordkampagne“ sei da gegen ihre Person angezettelt worden. Der SPD-Fraktionschef im Römer, Günther Dürr, verwies darauf, daß die Kandidatin bereits vor Monatsfrist auf einer Klausurtagung der Fraktion auf die kursierenden Gerüchte mit der Bemerkung reagiert habe, daß alle Vorwürfe „erstunken und erlogen“ seien. Dürr: „Ich glaube ihr.“

Der Fraktionsgeschäftsführer der Grünen, Lutz Sikorski, erklärte: „Alle Stimmen der Grünen werden am 10. Mai für Linda Reisch in der Wahlurne liegen. „Hier wurde eine Kampagne angezettelt, mit dem Ziel, eine Kulturdezernentin Linda Reisch zu verhindern.“

Die Frankfurter CDU jedenfalls, die von den Grünen als „Herd in der Gerüchteküche“ ausgemacht worden war, wusch bislang ihre Hände in Unschuld. Und in der Tat spricht einiges dafür, daß die Vorwürfe gegen Frau Reisch von Mitgliedern der Frankfurter SPD in die 'Welt‘ gesetzt wurden. Linda Reisch ist nämlich nicht die Wunschkandidatin der SozialdemokratInnen vom Main. Die hatten den Lokalmatador Klaus Sturmfels favorisiert. Doch Oberbürgermeister Volker Hauff drückte den GenossInnen die Lebensgefährtin seines Freundes Peter Glotz aufs Auge. In der SPD-Fraktion gärt es seitdem. Mit der Torpedierung der Wahl von Linda Reisch könnten sich die renitenten GenossInnen an ihrem Oberbürgermeister rächen, dem Teile der Fraktion ohnehin seine „einsamen Entscheidungen“ auch in anderen Fällen übelnehmen.

Aus dem Römer war gestern aber auch zu hören, daß möglicherweise Sozialdemokraten aus Bonn und Düsselsdorf die Informanten der 'WaS‘ gewesen sein könnten. Die hätten mit der Diskreditierung von Frau Reisch den unbequemen Ex -Geschäftsführer der Bundespartei und Reisch-Lebensgefährten Peter Glotz den endgültigen „Todesstoß“ versetzen wollen. Linda Reisch jedenfalls hat angekündigt, gegen die 'WaS‘ gerichtlich vorzugehen.

Klaus-Peter Klingelschmidt