: DDR-Videos am Fin de siecle
■ Zum nationalen Schmalfilmfestival in Dresden
Die Hochschule der Bildenden Künste, im alten Prunkbau am Dresdner Elbufer, veranstaltet seit 1987 jährlich eine zensurfreie Ausstellung aller Fachbereiche. Der Frühlingssalon, eine kulturpolitische Nische, in der auch das nationale Schmalfilmfestival (seit letztem Jahr unter Einschluß von Video) sein geduldetes Eckchen fand: Im Mittelpunkt standen vom akademischen Kunstbetrieb ausgegrenzte Bereiche wie etwa Performances und Installationen.
Die Erinnerung an den überfüllten großen Saal und das Diskussionsfieber konnte einen schon sentimental werden lassen, als sich das Häufchen Zuschauer und ein halbes Dutzend DDR-Filmer in diesem Jahr im Keller des Hauses wiederfanden. Das Festival glich einer Totenfeier: Der Schmalfilm, einst probates Mittel zur Provokation, heute nur noch Nostalgie? Während der Hochzeiten des „Underground -Films“ sah man über formale Unschärfen geflissentlich hinweg, im Blickfeld stand ausschließlich der politische Affront. Der Beifall war leicht verdient, gab es doch weder Konkurrenz aus dem Ausland, noch waren die von der Zensur geplagten DDR-Medien ein ernstzunehmender Gegner.
Doch die Realität änderte sich schneller als der Blick für die neuen Wirklichkeiten. Hilflos zum Beispiel der Versuch eines Aufbruchs von Holger Vollbrecht und R. Vierrock (Ost -Berlin), wo einer aus der Käfigsituation entkommt, aber nur, um wieder vor einer weiteren verschlossenen Tür zu scheitern. Um der Idee das Plakative zu nehmen, hätte es einer kräftigeren Bildsprache und einer besser komponierten Montage bedurft. Auch der Weg nach Moskau liegt nicht weiter. Boschturmai von Thomas Werner aus Ost-Berlin zeigt, was wir schon geahnt haben. In Moskau wird gekifft, moderne Musik gehört und überhaupt ist man szenemäßig drauf: das Lebensgefühl des Undergrounds im groben Schwarzweißkorn.
Den Leichenschmaus auf den Super-8-Film offerierten Stefan Schilling und Matthias Schneider (Dresden) mit Endfang oder Einführung in den Zenbuddhismus. Der Bildstand ragt in die Mitte des Bildes, Unschärfen wechseln mit Überbelichtung, die Kamera ist verwackelt, die bewußt verhaltenen Bilder verschmoren in der Hitze des Projektors. Die Not des in der DDR generell fehlenden S-8-Synchrontons wird mit Live-Geräuschen zur Tugend erhöht. Der Film übersteigert hemmungslos die Ästhetik des Mangels, in der sich viele DDR-Filme eingerichtet hatten, und weist den Schmalfilm in seine Grenzen zurück.
Ein diskussionswerter Beitrag war Gabi Kacholds Signale. Die performanceartige Aufarbeitung ihrer Knasterfahrung am Originalschauplatz in Erfurt ist in jener Sprödigkeit gehalten, die eine emotionale Teilnahme verhindert. Dadurch, daß das Material teilweise ungeschnitten ist, unterläuft sie jeglichen Anspruch auf Bildästethik oder -sprache: Video als Mittel zur Reproduktion.
Die gezeigten West-Videos hingegen versuchen, das Medium auf seine formalen Strukturen hin auszureizen. Videolabyrinth (DFFB) oder Private Perversionen von Mars Media sind weit entfernt von zu vermittelnden Inhalten. Straßenkampf, Pornos und Neurotiker - Reflexionen auf die Medienrealität, Versatzstücke und Computerspiele. Eine Nabelschau.
Cornelia Klauß
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen