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Synode will Verhältnis zum Judentum erneuern

■ Der Bericht der evangelischen Kirchenleitung wurde auf der 7. Tagung der Regionalsynode kritisch aufgenommen / Brief an die beiden Verteidigungsminister Eppelmann und Stoltenberg

Weißensee. Nach einem Mammutprogramm ging am Dienstag abend die 7. Tagung der Regionalsynode in Weißensee zu Ende. In ihrem Rechenschaftsbericht warnte die evangelische Kirchenleitung eindringlich vor „einem mehr und mehr um sich greifenden Nationalismus“, der sich „zu einem Störfaktor für Europa“ entwickeln könne. Mit großer Besorgnis wurden die Ausschreitungen am 20. April auf dem Alexanderplatz und in Kreuzberg zur Kenntnis genommen.

Insgesamt wurde der Kirchenleitungsbericht überwiegend kritisch aufgenommen. Es wurde zwar Bischof Forck und anderen gedankt, die durch persönlichen Einsatz im Herbst '89 den Bedrängten beigestanden haben, jedoch gleichzeitig verlangt, „Versagen offen zu bekunden, wenn Aussagen für die Zukunft glaubwürdig sein sollen“, wie ein Pfarrer erklärte. Mit Spannung wurde der Beschluß erwartet, ob für Forck, der im September '91 in den Ruhestand tritt, ein eigenständiger Nachfolger gewählt werden soll. Mit knapper Mehrheit beschloß die Synode, „in der Erwartung, daß zu diesem Zeitpunkt ein gemeinsamer Bischof zu wählen ist“, auf die Wahl eines Nachfolgers zu verzichten.

Des weiteren wurde beschlossen, nach geeigneten Wegen zu suchen, um ein Kirchensteuersystem nach westlichem Vorbild zu entwickeln. Gleichzeitig warnten die Synodalen aber vor kritikloser Übernahme westlicher Wirtschaftsformen.

Auf dem Weg zu einer gemeinsamen Sicherheitspartnerschaft in Europa empfehlen die Teilnehmer weitreichende Abrüstungsschritte. In einem Brief an die beiden deutschen Verteidigungsminister Eppelmann und Stoltenberg fordern sie eine radikale Verringerung der Personalstärke der Armee, den Abbau von Waffen, Abschaffung der Wehrpflicht, Auflösung der Militärpakte und schließlich die Auflösung beider deutscher Armeen. „Die durch Abrüstung gewonnene Wirtschaftskraft muß vorrangig zu solidarischer Hilfe für Länder der sogenannten Dritten Welt eingesetzt werden“, heißt es in dem Beschluß.

„Zur Erneuerung unseres Verhältnisses zum Judentum“ war ein mehrseitiges Votum des von der Kirchenleitung eingesetzten Ausschusses überschrieben, dem die Synodalen zustimmten. Darin wird die Klärung und Gestaltung des besonderen Verhältnisses zum Judentum als eine bleibende Aufgabe der Kirche erklärt. „Das Judentum muß in seinem Selbstverständnis respektiert werden und als Ausdruck der religiösen, kulturellen und nationalen Identität des jüdischen Volkes, als eine geschichtliche Kontinuität, von der Antike bis in die Gegenwart lebendige Gemeinschaft begriffen werden.“ Es wurde darauf hingewiesen, daß in kirchlichen Kunstwerken vielfach antijüdische Einstellungen Ausdruck gefunden haben. Der Ausschuß empfiehlt, den Betrachter durch Hinweise auf Schuld und Betroffenheit der Kirche aufmerksam zu machen und so zu neuer Sicht anzuleiten.

Auch in Predigt und Gemeindegesprächen soll ein Umdenken zum Ausdruck kommen. So soll bei Jugendlichen bedacht werden, wie sie bisher mit der Judenvernichtung konfrontiert wurden, so im Schulunterricht, bei der Besichtigung von Konzentrationslagern, in Filmen und Literatur. Auch auf unüberlegten antijüdischen Sprachgebrauch und auf eine provokatorische Verwendung von Nazisymbolen soll geachtet werden. „Die Gemeinden müssen etwas erfahren von der Geschichte des christlichen Antisemitismus. Nur so werden Verantwortung und Mitschuld der Christen deutlich“, heißt es in dem Text weiter. Dieses Votum, das „Mut zum Umdenken und zum Verändern der Praxis“ machen will, wurde von den Synodalen mit deutlicher Mehrheit angenommen.

Uwe Meyer

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