: EG für deutsche Einheit
Dubliner Gipfel der Regierungschefs der EG befürwortet deutschen Vereinigungsprozeß / Frage der europäischen politischen Einigung nicht geklärt ■ Aus Dublin Ralf Sotscheck
Bundeskanzler Helmut Kohl bezeichnete die Dubliner Gipfelkonferenz am Samstag als „historische Stunde für uns Deutsche“. In dem Schlußkommunique der zwölf EG -Mitgliedstaaten heißt es: „Die Gemeinschaft begrüßt in hohem Maße die Vereinigung Deutschlands. Sie freut sich auf den positiven und fruchtbaren Beitrag, den das ganze deutsche Volk im Anschluß an die bevorstehende Eingliederung des Staatsgebiets der DDR in die Gemeinschaft leisten kann.“ Diese Eingliederung wird ohne Änderung der Verträge erfolgen.
Kohl wies auf die „glänzende Verfassung“ der bundesdeutschen Wirtschaft hin und sagte, er werde keine Politik des leichten Geldes betreiben. Er versprach: „Wir werden keine Steuern erhöhen.“ Kohl verzichtete in Dublin auf eine Sonderhilfe für die DDR.
Dagegen wird die DDR noch vor der Vereinigung Gelder aus dem Topf für Mittel- und Osteuropa erhalten. Der Kanzler versuchte, den Befürchtungen entgegenzutreten, daß durch eine selektive Wirtschaftshilfe ein neuer „Eiserner Vorhang“ in Europa errichtet werde. Er hob die Öffnung der ungarischen Grenzen im vergangenen Jahr hervor und sagte: „Wir alle in Deutschland werden nie vergessen, was Ungarn in schwierigen Zeiten für uns getan hat.“ Kohl versicherte den strukturschwachen EG-Ländern, daß die Osteuropa-Hilfe nicht zu ihren Lasten gehen werde: „Es ist eine besondere Höflichkeit, daß ich das hier in Dublin sage.“
Die Frage der politischen Union der EG wurde in Dublin vertagt. Die Außenminister sollen bis zum nächsten Gipfel im Juni laut Kohl „alles zusammentragen, was auf den Tisch kommen könnte“. Der irische Premierminister und Ratsvorsitzende Charles Haughey meinte jedoch, daß eine zweite Regierungskonferenz zu diesem Thema „genausowenig aufzuhalten ist, wie der Rhein“. Diese Konferenz soll die politische Union parallel zur Wirtschafts- und Währungsunion vorbereiten. Großbritannien, Dänemark und Portugal meldeten starke Bedenken an. Der Dubliner Sondergipfel wurde vorzeitig beendet, weil - so Haughey - „wir so tüchtig gearbeitet haben“.
Eine Regierungskonferenz der Europäischen Gemeinschaft wird für eine Änderung der EG-Verträge einberufen, für die dem Ministerrat die Kompetenz fehlt. Die letzte trat im zweiten Halbjahr 1985 zusammen. Damals arbeiteten Vertreter der Mitgliedsländer eine Reform der EG-Verträge aus, die unter anderem den einheitlichen Binnenmarkt vertraglich vorbereitete. Bericht Seite 9
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