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Muh de Cologneoder Kuhnel No. 5

■ Von der Wirkung feiner Düfte im Kuhstall

BUNSENBRENNER

Wer was werden will, greift zum betörenden Parfüm, verströmt den unwiderstehlichen Duft. So jedenfalls will es die Kosmetikindustrie.

Überzeugt von der Wirkung berauschender Düfte ist neuerdings auch der Agrarwirtschaftler Keith Cummins von der Auburn Universität im US-Bundesstaat Alabama. Cummins beschäftigt sich mit der Milchproduktion von Kühen. Aber nicht er besprüht sich mit Wohlgerüchen nach getaner Arbeit im Kuhstall, sondern behandelt seine Kühe mit süßen Duftstoffen.

„Kühe“, erklärt Cummins, „sind äußerst soziale Tiere. Sie haben eine strenge soziale Hierarchie.“ Innerhalb einer Herde (Feministinnen, hört her!) treten alle Charaktertypen von sehr dominant bis extrem unterwürfig auf. Kühe können sich an die soziale Struktur einer Gruppe erinnern, auch wenn die Herdenmitglieder getrennt und erst nach mehreren Tagen wieder vereint werden.

Nun ist bekannt, daß die Hörner, das Alter der Tiere und ihr Körpergewicht bei der Erstellung der „Hackordnung“ eine Rolle spielen. Cummins wollte wissen, ob auch der stark ausgeprägte Geruchssinn zur sozialen Stellung beiträgt. Er nahm die dominierenden Kühe einer Herde, malte einige mit Wasserfarben schwarz oder weiß an, besprühte andere mit Anisöl, behandelte eine dritte Gruppe sowohl Farbe als auch mit Anisöl, und vereinte die Herde wieder. Cummins: „Wir dachten, daß die Kühe nicht erkannt würden und um ihre Stellung in der Herde kämpfen müßten.“

Weit gefehlt: Die bepinselten Kühe wurden ohne Probleme in ihre alte Stellung aufgenommen. Die nach Bonbon duftenden Tiere, ob angemalt oder nicht, lösten eine merkwürdige Reaktion aus: Die Herde reagierte ähnlich wie die Mitglieder einer angeblich weiseren Spezies, wenn plötzlich das Licht in einem vollen Saal erlischt - alles erstarrte.

Die duftenden Kühe wurden zwar neugierig beschnuppert, versuchten aber nicht ihre dominante Stellung wieder einzunehmen. Erst nach mehreren Tagen, als der Duft sich in Nichts aufgelöst hatte, war die alte soziale Ordnung wiederhergestellt - ohne Knüffe und Püffe.

Nun werden Milchkühe normalerweise aus den verschiedensten Gründen oft umgruppiert. Das führt zu Konflikten. Bis die neue soziale Hierarchie erstellt ist, dauert es einige Tage. Das geht nicht nur an die Nieren, sondern auch an die Euter. Die aufgeregten Kühe geben bis zu zwei Liter weniger Milch am Tag.

Mit Anisöl behandelte Kühe, dies fand Cummins in weiteren Versuchen heraus, bleiben nach der Umgruppierung zufrieden und bauen ihre neue Sozialstruktur ohne Aggression - und Milchverlust - wieder auf. Die Kosmetikindustrie wird also demnächst auch in Kuhställen einen betörenden Werbefeldzug führen können: Darf es Muh de Cologne sein oder vielleich Kuhnel No. 5?

san

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