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Wohin ich möchte - wohin ich (leider) muß

Tips von der Pinnwand der taz-KorrespondentInnen  ■ F A H R P L A N ‘ 9 0

Aus Rom Werner Raith

Bescheuertes Jahr. Wie selten zuvor - 1968 mit der Studentenrevolte und 1978 mit den Roten Brigaden ausgenommen - haut einem die Politik (und zunehmend auch das Gangstertum) alle schönen Termine kaputt. Den Carnevale haben rassistische Ausschreitungen plattgewalzt, zur Frauen -Biennale in Ferrara kam ich des Camorra-Massakers in Caserta wegen nicht; sogar der Sport wird dieses Jahr, in Italien ganz und gar ungewöhnlich, untergebuttert - die Pferde-Riesenschau auf Roms Piazza di Siena geriet ebenso in den Sog der am 6. und 7.Mai anstehenden Gemeinderatswahlen wie der Fußball-Meisterschaftsgewinn durch die Neapolitaner. Demnächst droht freilich umgekehrt das Fußball-Weltspektakel (8.Juni bis 8.Juli) seinerseits alles, auch die Politik, zu überlagern - und das ist auch nicht besser.

Leider muß der taz-Rom-Korrespondent, zur Verstärkung der professionellen Kick-Beobachter, in die Stadien; gottlob haben sie mir die südlichen Arenen - Neapel, Bari, Palermo zugewiesen, die mir sowieso mehr liegen als Mailand oder Turin oder Verona.

Davor aber noch eine selbsteingebrockte Werkelei: die Organisation einer Kulturwoche in Teracina südlich von Rom mit einem internationalen Kongreß Die Zukunft der Presse in Europa zwischen Peripherie und Zentralen (Pfingstsonntag, 3.Juni), drei Tage später eine wesentlich von taz-Redakteuren ausbaldowerte Rock-Begegnung ost- und westdeutscher Gruppen mit Italo-Bands, sowie, meine ganz persönliche Rache, just zur Zeit der Eröffnung der WM ein opulentes Abendessen für guckunlustige Frauen: in der Hoffnung, daß ihre Mattscheiben-Fans das Fehlen ihrer Geponse wenigstens dann bemerken, wenn sie nach Bier schreien und keine bringt es ihnen.

Verpassen werde ich auch dieses Jahr den Palio in Siena das massenanziehende Fahnenschwenken und Rennen mit ungesattelten Pferden auf der halbrunden Renaissance-Piazza (2.Juli und 16.August) erhitzt nicht nur Tier- und Denkmalschützer, sondern ist auch von nahezu keinem Eintrittsplatz aus wirklich zu sehen. Da schon lieber am 24. bis 28.Juni nach Florenz, wo das mittelalterliche „Florentiner Fußballspiel“ in Kostümen wiedererweckt werden soll.

Nach langer Zeit will ich auch wieder mal nach Spoleto zum Festival der beiden Welten (27.Juni bis 15.Juli): Es bringt diesmal erstmals, und drum will ich hin, auch kleine Opernaufführungen für Kinder (vor allem von Menotti). Auch klassische Musik lockt mich dieses Jahr mehr als sonst: das Festival von Ravenna zum Beispiel, 1. bis 26.Juli, heuer „Salieri und der österreichischen Schule“ gewidmet, oder die Rossini-Wochen in seiner Geburtsstadt Pesaro vom 1. bis 19.August. Den von der Spannung aus Nostalgie und Modernismus lebenden „Umbria Jazz“ in Perugia vom 10. bis 15.Juli möchte ich so unbedingt besuchen, daß mich auch dieses Jahr Venedig mit seinem „Erlöserfest“ samt Super -Gondel-Parade (14. und 15.Juli) nicht reizt - wie ich auch das Filmfestival im September lieber dem Arno Widmann überlasse und mich statt dessen kulinarischen Festivitäten hingebe; der Trüffelmesse in Alba vom 1. bis 14.Oktober oder der in Citta die Castello vom 1. bis 4.November zum Beispiel. Oder einer der unzähligen „Sagre“, den Wein-, Oliven- oder Artischoken-Erntefesten Laziums oder der Campagna. Darüber aber lieber das nächste Mal ausführlicher.

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