piwik no script img

Schornsteinbesteigung in Lichtenberg

■ UmweltschützerInnen gegen Müllverbrennung / Ost-West-Aktion in Ostberliner Verbrennungsanlage

Lichtenberg. Unbemerkt begaben sich gestern früh UmweltschützerInnen aus Ost und West auf das Gelände der Müllverbrennungsanlage (MVA) in Lichtenberg. Am 160 Meter hohen Schornstein befestigten sie ein Spruchband mit der Aufschrift „Müll macht uns tot - Vermeidung tut not“.

Aufregung bei der Werksleitung, die Polizei und Feuerwehr alarmierte. Doch Kraftwerksdirektor Jörg-Rainer Niessen verzichtete auf eine Räumung: „Schließlich wollen wir es da oben ja nicht zu irgendwelchen Kampfhandlungen kommen lassen.“ Währenddessen hatten ProtestiererInnen vor dem Werktor einen Info-Stand errichtet. Ihre Forderungen: Keine neuen MVA in der DDR, integriertes Müllvermeidungskonzept für den Großraum Berlin, sofortige Stillegung der MVA Lichtenberg - der Ausstoß von sogenanntem Seveso-Dioxin betrage allein bei dieser Anlage das Achtzigfache des in den USA zugelassenen Richtwertes.

Einige PassantInnen stimmten den Forderungen zu, Skepsis dagegen bei den Betriebsangehörigen. Betriebsingenieur Rohlfs von der MVA: „Einige Kollegen von uns arbeiten schon über fünfzehn Jahre hier, krank hat die Anlage aber noch keinen gemacht.“ Etwas nachdenklicher äußerte sich ein anderer Beschäftigter: „Nee, angenehm isses da nicht. Schon der Gestank - da kannste dich dreimal duschen, ganz weg kriegste den nie.“

Um viertel vor zwölf lud Direktor Niessen die Besetzer schließlich in sein Büro. „Ist ja alles schön und gut, was ihr da wollt - aber habt ihr ein besseres Entsorgungskonzept?“ Katharina Dorfstecher von der Grünen Liga verwies auf die verschiedenen Recyclingmöglichkeiten. Dazu Niessen: „Das versuchense mal den Leuten klarzumachen.“ Bei solchen Sachen müsse der Gesetzgeber ran, „da sind Sie bei mir an der falschen Adresse!“ Er verstehe durchaus das Anliegen der UmweltschützerInnen - aber machbar sei das alles nicht.

Gegen siebzehn Uhr wurde die Aktion beendet - der Dioxinausstoß hingegen nicht.

Olaf Kampmann

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen