: Skandale und Liebe
■ Die haarsträubenden Memoiren der Hertha BSC, oder wie ich lernte, den Ärger zu lieben
Pflichtbewußt richtet der Chronist, anläßlich des Wiederaufstieges von Hertha BSC in die erste Bundesliga, den erleuchtenden Strahl der Historie auf das, was in den ersten zwanzig Jahren so geschah:
Eine der Hauptfiguren dieser Geschichte ist Wolfgang Holst, Kneipenbesitzer und Daddelautomatenhersteller, im vorigen Beruf Oberjunker der SS-Leibstandarte „Adolf Hitler“. Knapp 20 Jahre lang war er verantwortlich für die finanziellen und sportlichen Belange des Vereins. Es war die Zeit, als der DFB eine Profi-Liga gründete mit der Prämisse, daß die Vereine aber ja nicht zu viel zahlen. Die Berliner konnten es nicht lassen, ebensowenig wie fast alle anderen. Dies petzte unser Holst, hatte auch Beweise, aber der Schuß ging nach hinten los. Der DFB fand heraus, daß Hertha ein Abstiegsspiel gegen 1860 München mit 15.000 Mark geschmiert hatte und daß 130.000 Mark in der Kasse fehlten.
Des Rätsels Lösung fand die Steuerfahndung bei Schatzmeister und Bestattungsunternehmer Herzog. Der hatte illegale Eintrittskarten im hauseigenen Sarg versteckt. Hertha mußte absteigen. Weil aus politischen Gründen ein Berliner Verein erstklassig sein mußte, stieg Tasmania auf, die dank grandioser Spieler („Ich heiße Finken und du wirst bald hinken“) den bis heute gültigen Rekord von 8 Punkten und 15 Toren hält.
Aber Hertha kam wieder. Daß 1968 der Gegner beim entscheidenden Spiel mit 38.000 DM geschmiert wurde, ist ein böses Gerücht. Dennoch wollte der damalige Not-Präsident, Ex -Nationalspieler und Hertha-Legende Hanne Sobeck die Verantwortlichen öffentlich verprügeln. Angesichts vieler Besucher (Rekord 90.000, im Schnitt 60.000) schwammen die Berliner schnell im Geld. Und gaben es protzig aus: „Wir bieten immer zehntausend Mark mehr“, so Holst.
Den Spielern war's dennoch nicht genug. 1971 verlor Hertha zu Hause das letzte Saisonspiel gegen die abstiegsbedrohten Bielefelder. „Die haben uns ein gutes Angebot gemacht“, erklärte Verteidiger Patzke. Er und seine Kollegen bekamen 15.000 Mark von Arminia und Sperren vom DFB aufgebrummt.
Zwei Jahre später war Hertha wieder Spitze, und A. C. Springer ließ 350.000 Mark für die Exklusiv -Berichterstattungs-Rechte springen. Trotz dieser Millionen und vieler Zuschauer war Hertha komischerweise pleite. 1974 betrug das Minus satte sechs Millionen. Das Vereinsgelände im Wedding wurde verkauft, natürlich in Berlin-Manier. Als Sportgelände hätte es zwei Millionen gebracht. Doch der SPD -Senat, der den Herthanern schon öfter Schulden erlassen hatte, wandelte die „Plumpe“ flugs zu Baugelände um, was den dreifachen Preis erzielte.
Die Mätzchen wurden immer kurioser. Präsident Klotz, der auch Schwiegersohn von Ludwig Erhard war, versuchte nicht nur Leute wie Peter Boenisch und Ebi von Brauchitsch als Manager zu gewinnen, sondern auch die Frau seines Vize. Der fuhr sich daraufhin im Pyjama mit 10.000 Mark in der Hand tot. Ansonsten verklagten sich Vorstandsmitglieder andauernd gegenseitig. Holst tauchte wieder auf und lockte begnadete Fußballer wie Seppl Pirrung mit horrenden Monatsgehältern von bis zu 20.000 Mark nach Berlin. So stiegen die Schulden in wenigen Jahren auf fünf Millionen und die teure Mannschaft ab. In der zweiten Liga gingen gar brave Fans mit Sammelbüchsen auf den Kudamm sammeln.
Nach Jahren der Stille war es vor einigen Wochen beinahe wieder soweit: Manager Wolter wurde Betrug am Senat vorgeworfen. Das Ganze entpuppte sich schließlich als Mißverständnis und persönlicher Racheakt eines gefeuerten Ex -Mitarbeiters. Aber immerhin: wir dürfen hoffen.
Schmiernik
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen