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Münster ist nicht Moers

■ Gespräch mit den Organisatoren des Münsteraner Jazzfestivals

Vom 18. bis 20. Mai findet in Münster das 12.Internationale Jazzfestival statt, mit siebzehn Auftritten von Musikerinnen und Musikern aus Ost- und Westeuropa, den USA, Brasilien und Japan. Zusammengestellt hat das Programm auch in diesem Jahr das „Jazzbüro Münster“ alias Fritz Schmücker und Hartmut Schmitz.

taz: Seit zwölf Jahren macht ihr jetzt „Jazzfestival“ in Münster. Euer Büro ist ganzjährig besetzt. Ihr seid zur Institution geworden. Hat sich in eurem Konzept Entscheidendes verändert?

Fritz Schmücker: Die entscheidenden Veränderungen betreffen eher das veranstalterische Konzept. Wir blicken ja auf etwas zurück, das man allgemein wohl eine bewegte Festivalgeschichte nennt. Früher war das Festival eine Open -air-Veranstaltung, die in den ersten drei Jahren vom Asta der Universität Münster, dann von Jazzclub und Asta gemeinsam organisiert und getragen wurde. Gleich im zweiten und dritten Jahr ist die ganze Geschichte finanziell ziemlich auf dem Bauch gelandet. 1985 sind wir im Preußenstadion dann regelrecht baden gegangen; mit schlechtem Wetter und Absagen einzelner Gruppen kamen wir auf ein Defizit von fast 40.000 DM. Da erfuhr das Festival zwangsläufig einige Veränderungen. Aus dem europäischen Rahmen wurde zwischendurch ein lokaler. Zum internationalen Festival wurde das Ganze dann, als wir es, ab 1986, in die Halle (Halle Münsterland, C.S.) verlegten. Am musikalischen Konzept, an unserem Ziel aber hat sich nichts geändert. Wir wollen eine möglichst große Bandbreite des zeitgenössischen Jazz vorführen - von free über modern bis Jazzrock, auch, was man so „Weltmusik“ nennt, soll eine Rolle spielen. In der Halle haben wir nun die Möglichkeit, zwei Bühnen zu nutzen. Anders als bei vielen Mehrbühnenfestivals wird dort aber nicht parallel gespielt, sondern abwechselnd, mit Pausen dazwischen - was, wie ich meine, auch dem Publikum sehr entgegenkommt.

Teil eurer „bewegten Geschichte“ sind auch die Schwierigkeiten mit der Stadtregierung. Schmückt Münster sich mit einem Festival, das die Stadt bislang nur wenig und nur sehr zögerlich unterstützt hat?

Hartmut Schmitz: Sicherlich schmücken die sich inzwischen damit. Und es hat sehr lange gedauert, sieben Jahre, bis die Stadt als Mitveranstalter eingestiegen ist. Der Grund dafür, auch da braucht man sich keinen Illusionen hinzugeben, war die große Medienöffentlichkeit, die das Festival 1985 hatte.

Fritz Schmücker: Und schon nach dem 10.Festival wollten sie sich am liebsten verabschieden, weil sie merkten, daß mit solch einem Engagement auch finanzielle Verantwortung verbunden ist. Daß es dann anders kam, ist vor allem dem Druck der Öffentlichkeit zuzuschreiben. Da gab es eine Menge Leserbriefe, mit denen sich viele hier gegen den Plan der Stadt wehrten, die Verantwortung einem kommerziellen Veranstalter zu übergeben. Ein „Bayreuth des Jazz“, wie es die Leverkusener, Seit‘ an Seit‘ mit dem Bayer-Konzern, kreieren möchten, wollten wir nicht. Wir wollen unserer Programmautonomie bewahren. Wir schauen uns auch unsere Sponsoren sehr genau an. Denn im derzeit grassierenden Sponsoring-Fieber steckt ja auch eine große Gefahr...

Soll heißen: Wenn es nur noch darum geht, attraktiv zu sein, sind die Mittel egal - und das Ergebnis beliebig?

Fritz Schmücker: Das ist zu befürchten, ja. Ein Beispiel dafür ist Viersen. Die haben dort so erfolgreich akquiriert, daß sie schon gar kein Publikum mehr brauchen, um ihr Festival zu finanzieren.

Spricht man hierzulande vom Jazzfestival, denken viele zuerst an Moers. Ist Münster die „Ewige Zweite“?

Fritz Schmücker: Solche Rangfolgen machen wir gar nicht. Wir differenzieren nur: Moers steht in einer ganz anderen Tradition. Es ist, zweifelsohne, das Avantgarde-Festival schlechthin. In der BRD und auch über die BRD hinaus. Durch seine lange Tradition als New Jazz Festival ist es auch in der Lage, andere Programmstrukturen zu haben als wir. Wir arbeiten mit einem knappen Drittel des Geldes, das in Moers ausgegeben wird. Der Werbewert, den Moers als internationales Festival hat, ist sicher sehr groß, wenn auch in Münster schon Musikerinnen und Musiker erstmals vor größerem Publikum aufgetreten sind, die später dann international als Entdeckungen gefeiert wurden. Wir haben aber nicht den einzigen Anspruch, neue Wege aufzusuchen, sondern wir haben ein Mischkonzept. Auf der einen Seite präsentieren wir Gruppen, die durchaus schon andernorts „gelaufen“, also bekannt sind - wie Jan Garbarek im letzten Jahr, wie den Brasilianer Egberto Gismonti, der in diesem Jahr sein neuformiertes Quintett vorstellen wird. Solche Leute locken auch ein Publikum an, das kein puristisches Jazzpublikum ist. Auch Archie Shepp, der Free Jazz Pionier der 60er, und, aus der jüngeren Generation, James „Blood“ Ulmer, der zusammen mit dem Saxophonisten George Adams auftreten wird, sind als „Publikumsmagneten“ in der Szene längst bekannt. Doch auf der anderen Seite präsentieren wir auch Leute, die noch keinen „Namen haben“, von denen wir meinen, sie sollten nun einem größeren Publikum vorgestellt werden. Das ist immer auch eine Gratwanderung. Wenn Du Pech hast, sagen die einen „Kenne ich nicht, also bleibe ich zu Hause“, und die anderen werfen dir vor, du würdest das übliche Tourneeprogramm reproduzieren.

Ihr habt Euch in den vergangenen Jahren besonders um die osteuropäische Jazzszene bemüht. Wie steht's damit in diesem Jahr?

Hartmut Schmitz: Das ist sicher einer unserer wesentlichsten Schwerpunkte. Das hängt damit zusammen, daß Osteuropa, auch heute noch, vom Westen aus betrachtet, relativ unerforschtes Jazzgebiet ist. Für uns ist das Bemühen um die osteuropäische Jazzszene auch ein Punkt, unsere Eigenständigkeit hervorzuheben - das ist so „typisch Münster“ wie die Mischung aus bekannt und unbekannt und das Zweibühnensystem.

Die Möglickeiten der Ost-West-Kommunikation sind erleichtert worden. Scheint es Euch dennoch oder gerade deswegen wichtig, weiterhin am thematischen Schwerpunkt Osteuropa festzuhalten? Oder schwindet jetzt mit der vormals „exotischen“ Aura auch das allgemeine Interesse?

Hartmut Schmitz: Es ist doch nach wie vor unerforschtes Gebiet, trotz der Touren, die jetzt möglich geworden sind. Es gibt noch so viele Leute, die interessante Musik machen und hier noch nicht präsentiert wurden. Darum bemühen wir uns jetzt. Seit 1986 besuchen wir die größeren osteuropäischen Festivals, hören, was für uns interessant sein könnte, wie in Warschau, bei den Leningrader Jazztagen oder auch beim Festival der DDR in Weimar. Natürlich bemerken wir dort Veränderungen. Im polnischen Jazz beispielsweise, läßt sich deutlich eine zunehmende „Elektrifizierung“ ausmachen. Die DDR-Jazzer und Jazzerinnen haben es sicher viel schwerer als zuvor, wenn sie vor eigenem Publikum auftreten, das nun sehr west-orientiert ist. Doch ich glaube nicht, daß das Interesse hier schwindet. Die Exotik fällt weg, das ist klar, aber solange sich die Eigenständigkeit des DDR-Jazz oder des Jazz der Sowjetunion bewahrt, werden sie für das Publikum hier interessant bleiben.

Interview: Christine Schrenk

Informationen und Programme gibt es im Jazzbüro, Telefon: 0252/664955. Die Festivalkarte für alle drei Tage kostet im Vorverkauf 50 DM, die Tageskarte 25 DM; Abendkasse: 60 DM, ermäßigt 30 DM. Übernachtungsmöglichkeiten zum Nulltarif bietet die Halle Münsterland in der angrenzenden Sporthalle, wo auch Duschen zur Verfügung stehen. Der WDR wird die Konzerte aufzeichnen. Die Sendetermine werden rechtzeitig bekanntgegeben.

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